La Suisse à pied

Reportage sur le chemin
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Le carnet de route se trouve sur:

Trans Swiss Trail route-02
Trans Swiss Trail
Porrentruy–Mendrisio
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32 Etappen in 26 Tagen

32 Etappen in 26 Tagen

Hannibal marschierte mit seinen Elefanten über die Alpen und Ludwig Hofmaier, bekannt aus der TV-Sendung «Bares für Rares», lief auf seinen Händen von Regensburg nach Rom, da kann doch eine Durchwanderung der Schweiz von Nord nach Süd auf gut signalisierten Wanderwegen nichts Aussergewöhnliches mehr sein?
Ausserdem bin ich seit kurzem pensioniert und habe nun vermehrt Zeit und Musse, meine To-Do-Liste ab zu bauen. Der Trans Swiss Trail (TST) soll es sein! Nicht in fernen Jahren, sondern jetzt!

Dank der umfangreichen Dokumentation dieser Route im Internet, kann ich mir grosse eigene Recherchen bezüglich der Route ersparen und mich auf Zeitplanung und Zusammensetzung der Ausrüstung konzentrieren.

Meine vorhandene Wanderausrüstung ist schon alt, taugt für diesen Trip nicht mehr und soll ersetzt werden.
Rucksack (Grösse: 40+10), leichte Regenjacke und Wanderhosen, dann Unterwäsche, Jacke und Socken aus Merinowolle, sowie Wanderstöcke müssen neu erworben werden. Einzig die alten Wanderschuhe will ich nicht ersetzen. Diese sind leicht, in passablem Zustand und v.a. eingelaufen. Zu präsent sind mir noch die schmerzenden Füsse in der Rekrutenschule von damals!

Meine Entscheidung, die ersten paar Etappen als Testlauf zu absolvieren, hat sich als weise erweisen. An vier Tagen im Mai 2017 kann ich Erfahrungen bezüglich Ausrüstung, Wandertempo, Ernährung und Übernachtungsmöglichkeiten sammeln. Die so gemachten Erfahrungen sollen mir helfen, die restlichen Etappen, welche ich dann von Mitte August bis Mitte September durchführen werde, ohne nennenswerte Probleme zu bewältigen.

Es gilt anzumerken, dass ich untrainiert bin und ein paar Kilos mehr als das Idealgewicht auf die Waage bringe. Mein einziger «Sport», den ich in den letzten paar Jahren betrieben habe, beschränkte sich auf ausgedehnte Spaziergänge.
1. Tag (Pruntrut-St.Ursanne)

Heute regnet es auf meiner Fahrt vom Aargau zu meinem Startort in Pruntrut wie aus Kübeln. Gemäss Wettervorhersage sollte sich aber ab Mittag ein kräftiges Hochdruckgebiet über der Schweiz ausbreiten und schönes und trockenes Wanderwetter bringen und tatsächlich kann ich meine ersten Gehversuche bei kühlem aber trockenem Wetter in Angriff nehmen. Die Worte «Vöu Spass de!» des jungen Schülers bei meiner Abreise vom Wohnort, werden mich während der ganzen Wanderung begleiten. Sie kamen richtig von Herzen, nachdem ich dem Jungen auf dessen Fragen hin, von meinem Vorhaben erzählt habe. Auch die Wünsche «drum bun»; von Melanie in Rumänischer Sprache, finden in den nächsten Tagen einen speziellen Platz in meinem Herzen.

Die Nationale Route Nummer 2 ist schon ab dem Bahnhof Pruntrut gut ausgeschildert. Dies sollte mit wenigen Ausnahmen bis Mendrisio auch so bleiben. Meine anfänglich zahlreichen Kontrollen auf der SchweizMobil-App, ob ich auch wirklich noch auf dem richtigen Weg bin, werden dann von Tag zu Tag zwar seltener, ganz davon ablassen kann ich dann aber bis zur letzten Etappe trotzdem nicht.

Diese ersten Kilometer meines Abenteuers geniesse ich denn auch in vollen Zügen. Was verbirgt sich hinter dem nächsten Rank? Was erspähe ich vom nächsten Hügel? Die weiten, gelben Rapsfelder verströmen ihren einzigartigen Duft, Lerchen trällern hoch oben ihren Gesang. Mauersegler kreischen um die Wette - ich wähne mich im Paradies. Ich wandere alleine, so kann ich Tempo und Pausen selber bestimmen. Kann meinen Gedanken ungehindert nachgehen. Diese Wanderung wollte ich aus eben diesen Gründen alleine durchführen, dies war mir von Anfang an klar.

Der Boden war vom vorausgegangenen Regenwetter stark aufgeweicht und rutschig und der letzte Abstieg hinunter nach St. Ursanne sollte sich dann auch als einer der anstrengendsten Abschnitte des TST erweisen. Statt der geplanten knappen 5 Stunden benötigte ich fast deren 7!
Ich war jedenfalls sehr glücklich in St. Ursanne ein gepflegtes Hotel («Demi Lune») mit ausgezeichneter Küche vorzufinden.
2. Tag (St.Ursanne-Montfaucon)

Nach einer geruhsamen Nacht und einem wunderbaren und reichhaltigen Frühstück geht’s am nächsten Tag weiter in Richtung Soubey.
Die Strecke entlang des Doubs entpuppt sich als eine wunderbare Etappe: das Vogelgezwitscher ist so laut, dass es teils sogar das Rauschen des Flusses übertönt. Blühende Wiesen konkurrieren mit dem zarten Grün der Bäume.

Einzig die zahlreichen Warntafeln, welche die Wanderer auf Mutterkühe mit ihren Kälbern aufmerksam machen, können auf die gute Stimmung drücken. Tatsächlich - nach wenigen Hundert Metern die erste Kuh Herde, mitten auf dem schmalen Wanderpfad zwischen Flussufer und steil ansteigender Weide! Eine ihr Kalb verteidigende Mutterkuh will ich um Alles in der Welt nicht provozieren, doch umkehren will ich auch nicht. Es bleibt mir deshalb nichts anderes übrig, als einen weiten Bogen um die Kuh Herde zu machen. Die friedlich wiederkäuenden Viecher jedenfalls bleiben schön dort wo sie sind und lassen mich in Ruhe.

Ich sollte aber schon bald eine weitere Prüfung zu bestehen haben: «Attention Taureaux» steht nun auf einer Warntafel einer nächsten Weide.
Da ich weit und breit keinen Stier auf dem Pfad sehe, setze ich meine Wanderung locker weiter. Doch kaum um die nächste Kurve gebogen, erspähe ich am Ende der Weide, direkt auf dem Pfad, eine allein stehende Kuh, oder ist es etwa ein Stier? Etwas Grosses hängt dem Tier zwischen den Hinterbeinen? Euter oder Spanische Nierli? Freund oder Feind? Mit klopfendem Herz wandere ich weiter. Dieser Pfad scheint noch enger als vorhin bei den Mutterkühen, die Weide noch steiler ansteigend... Endlich kann ich das Corpus Delicti ansprechen und eindeutig als Euter ausmachen, und meine Anspannung weicht einer grossen Erleichterung. Und diesmal ist es die Kuh, welche mir Platz macht und mir den sicheren Ausweg aus dieser Situation ebnet. Es soll dies nicht die letzte unliebsame Begegnung mit Tieren bleiben...

Kurz vor dem Tagesziel Soubey fühle ich mich zu fit, um jetzt schon ein Nachtquartier aufzusuchen und ich mache mich an den Aufstieg in Richtung Franches Montagnes. Dabei folge ich der Autostrasse nach Montfaucon und weiche somit von der offiziellen Route des TST ab. Diese Strasse ist wenig befahren und bietet mir die Möglichkeit rasch vorwärts zu kommen.

Weiter nach Saignelegier will ich an diesem zweiten Tag nicht mehr und so beschliesse ich, mir in Montfaucon ein Nachtquartier zu suchen und finde dieses in der «Auberge de la Gare». Einfache Zimmer, gutes Fondue - was will man mehr nach 6:45?
3. Tag (Montfaucon-Renan)

Bei schönstem Wetter geht es heute über die Franches Montagnes in Richtung Mont Soleil. Ich lasse Saignelegier rechts liegen, folge ausgezeichneten Wanderwegen bis nach les Emibois, wo ich wieder auf den TST stosse.
Lichte Wälder und weite Pferdeweiden wechseln sich ab. Die gleissende Sonne an einem tief blauen Himmel, sowie das Rauschen des hier auf über 1000 m. ü. M. stetig wehenden Windes in den Baumwipfeln, tun das Übrige für eine unvergleichliche Stimmung.

Der letzte Anstieg zum Mt. Soleil ist zwar steil und anstrengend, doch oben angekommen entschädigt eine atemberaubende Aussicht rüber zum Chasseral, aufs Mittelland und in die Alpen für die Anstrengungen.
Oben bietet sich mir die Möglichkeit, Technikern zuzuschauen, wie sie mit Hilfe einer mit Kamera ausgerüsteten Drohne die einzelnen Blätter des riesigen Windrades inspizieren. Dieses Windrad gehört zur aktuell grössten Anlage in der Schweiz für erneuerbare Energien.

Zur Schonung meiner Knie benutze ich für den sehr steilen Abstieg nach St. lmier die Funiculaire. Mit Entsetzen muss ich wenige Tage nach meiner Durchwanderung von St. lmier von der Beinahe Katastrophe erfahren, der das Städtchen nur knapp entgangen ist.

Am Mont Soleil haben sich mehr als 600 Meter Leitungsrohre selbständig gemacht und sind nach St. lmier runter gedonnert und haben dabei 30 Autos beschädigt. Personen kommen wie durch ein Wunder nicht zu Schaden.

Auch hier in St. lmier, dem von schweizmobil.ch vorgeschlagenen Etappenziel, fühle ich mich noch nicht reif fürs Übernachten und ich beschliesse noch ein paar Kilometer bis Renan an zu hängen.

Hier suche ich eine Übernachtungsmöglichkeit und finde diese im «Le Batiment»; einer ehemaligen Pferdekarawanserei aus dem 17. Jahrhundert. Für wenig Geld gibt’s dort ein einfaches Zimmer im Estrich und ein Frühstück. Mein WunschhoteI «Cheval blanc» im Zentrum des Dorfes wurde zu Eigentumswohnungen umgebaut und steht für Übernachtungen leider nicht mehr zur Verfügung.
4. Tag (Renan-Neuenburg)

Auf den heutigen Nachmittag sind Gewitter angesagt und ich mache mich deshalb schon früh auf die Socken. Das Ziel von heute ist Neuenburg, es dürfte ein anstrengender Tag werden. Bei angenehmen Temperaturen komme ich zügig voran und folge stets der immer noch sehr gut beschilderten Wegstrecke. Wald, Wiesen und gelb leuchtende Rapsfelder wechseln sich ab. Ich kann Rehe beim Äsen beobachten und bei einem Modellflugplatz einer eindrücklichen Vorführung mit einem Modellhelikopter beiwohnen.

Es ist Luxus pur, sich für solche «Nebensächlichkeiten» wie Flugvorführungen von Modellflugzeugen, dem Beobachten von Rehen, einem Schwatz da und einer Verweilung dort, Zeit nehmen zu dürfen.
Zeit haben, sich Zeit nehmen dürfen - eine wertvolle Erkenntnis als frisch Pensionierter!

Wurde ich die letzten Tage mit zahlreichen, überaus freundlich und von Herzen kommenden «Bonne Route», oder einem «Bon Courage» begleitet, so änderte sich diese Gepflogenheit schlagartig beim Betreten von Neuenburger Stadtgebiet.
Meine selbstverständlichen Grüsse werden nicht nur nicht erwidert, sondern gar nicht erst wahrgenommen. Der Unterschied vom ländlichen Jura zum städtischen Neuenburg ist auffallend. Es mag aber auch durchaus sein, dass ich an diesem vierten Tag, müde und unrasiert wie ich daher komme, bei meinem Einmarsch in Neuenburg, schlicht Angst und Schrecken verbreite.

Nach knapp sechs Stunden erreiche ich den Bahnhof von Neuenburg. Mein Testlauf ist zu Ende. Für diese ersten sechs Etappen habe ich insgesamt vier Tage gebraucht. Mitte August bis Mitte September will ich die restlichen 26 Etappen in Angriff nehmen. Dies mit weniger Kleider im Rucksack, anderer Zwischenverpflegung, aber im Wissen, ansonsten eine sehr praktische Ausrüstung mir zugelegt zu haben.
5. Tag (Neuenburg-Murten)

Es ist Mitte August und hier beginnt mein eigentlicher TST. Die ersten 4 Etappen, welche ich anfangs Mai gelaufen bin, waren ja bloss ein «Testlauf».

Mein leicht anders zusammengestellter Rucksack wiegt nun inkl. ein Liter Flüssigkeit und Proviant elf Kilogramm, was sich zu Beginn recht schwer anfühlt, von Tag zu Tag aber leichter zu werden scheint. Die Zeit, welche ich ins pingelige Anpassen des Rucksackes investiert habe, war gut investiert.

Die schweren Trockenbananen, welche ich im Mai noch mit dabei hatte, habe ich durch extra leichte Schokoriegel, das Tuttifrutti durch einen frischen Apfel ersetzt. Und die drei Sandwiches reduzierte ich auf eines.
Nicht über Nacht trocknende Baumwollwäsche, oder Leibchen aus rasch unangenehm riechenden Kunststoffen, habe ich konsequent durch Produkte aus Merinowolle ersetzt.

Die Temperaturen in dieser Jahreszeit sind deutlich höher als noch im Mai. Ich werde also v.a. am Morgen wandern müssen, wenn die Luft noch angenehm kühl ist und sich die Cumulus-Wolke noch nicht .zur Cumulonimbus-Wolke entwickeln konnte.

Das Kursschiff bringt mich bei strahlendem Wetter über den Neuenburger See nach Cudrefin. Von weitem ist der Mont Vully sichtbar, ihn gilt es heute zu überqueren. Der Wanderweg führt auf ebener Strecke zuerst dem Neuenburger See, dann ein kurzes Stück dem Broyekanal mit seinen langsam daher gleitenden eleganten Yachten entlang, bevor es dann steil auf den Mont Vully geht. Glücklicherweise führt dieser Streckenabschnitt durch einen angenehm Schatten spendenden Wald.

Dieser Weg ist auf meiner Wander-App als «einfacher» Wanderweg klassifiziert. Dennoch gilt es an einer Stelle im obersten Bereich des Mont Vully, einen steilen Hang zu durchqueren und ich bin sehr froh um meine Wanderstöcke, die mir Halt und Sicherheit geben. Nicht auszudenken, wenn dieser Streckenabschnitt bei Nässe begangen werden muss. Ich beginne mir Gedanken zu machen: wenn diese Strecke als «einfach» angesehen wird, wie sehen dann die mit «mittel» klassifizierten Bergwanderwege aus? Eine Diskrepanz zwischen der Klassifizierung auf der SchweizMobil-App und der tatsächlichen Markierung der Wanderwege, werde ich später noch mehrmals feststellen müssen.

Mein Credo für diese Wanderung war, alleine wandern zu wollen. Es kommen mir aber Bedenken, ob ich auch Bergwanderwege alleine oder doch lieber zu zweit absolvieren will. Ich werde es im Auge behalten!

Die Rundsicht vom Mont Vully an diesem Prachtstag ist atemberaubend.
Ein Wohnmobil hat sich am obersten Punkt platziert und ich kann mir sehr gut vorstellen, mit welchem Gefühl diese Campierer ihren Abend - Apero geniessen werden, wenn alle Tagesausflügler schon längst wieder verschwunden sein werden.

Während des Abstieges durch die Rebberge macht sich bei mir auf einmal eine grosse Erschöpfung bemerkbar. Vor lauter Schifffahrt, Luxusyachten, steilem Anstieg und prächtiger Aussicht habe ich mir zu wenig Zeit für eine richtige Verpflegung und genügend Flüssigkeitsaufnahme genommen. Mitten in den Rebbergen muss ich mich ins Gras setzen und mir Zucker in Form eines Riegels und einem Süssgetränk zuführen. Und es dauert eine gefühlte Ewigkeit, bis ich mich im Stande fühle, den verbleibenden Weg nach Murten unter meine Füsse zu nehmen.

Erschöpft und glücklich erreiche ich Murten, wo ich im Hotel «Schiff» ein
gemütliches Zimmer beziehen und ein hervorragendes Nachtessen geniessen darf
- und dies direkt am Hafen von Murten. Während 4:45 Std. wanderte ich heute in drei Kantonen (NE/VD/FR).
6. Tag (Murten-Flamatt)

Ein wunderbarer, aber heisser Sommertag ist für heute angekündigt, deshalb verlasse ich den ruhig da liegenden Hafen mit seinen zahlreichen Enten, Schwänen, Möwen und Blesshühnern schon früh.

Es geht zuerst durchs ruhige noch verschlafene Städtchen Murten, wo ich mich in einer Bäckerei mit Proviant eindecke. Nach dem gestrigen Hungerast will ich vorsehen und ich nehme mir vor, in Zukunft konsequent alle 60 Min. eine Rast einzulegen um Flüssigkeit und Kalorien zu tanken. Bewährt haben sich in meinem Fall ein Schoko-Riegel mit dem man, was immer man anpackt, es zwar nicht besser, dafür länger kann und ein rotes Schweizer Sportgetränk. Dazu gibt’s in der Mittagsrast ein Sandwich und eine Frucht. Zusammen mit einem herzhaften und ausgiebigen Frühstück und einem ebenso ausgiebigen und vitaminreichen Nachtessen, komme ich kalorienmässig sehr gut über die gesamte Strecke.

War bis anhin fast täglich der Chasseral mein Wegbegleiter, so sind es ab heute Eiger, Mönch und Jungfrau. Stets aus einem anderen Blickwinkel und in einem anderen Licht zu betrachten.

Beim Zusammenschluss von Saane und Sense in Laupen, lege ich meine Mittagsrast ein. Eigentlich wäre die heutige Etappe schon fast geschafft, aber einmal mehr ist es mir für die neuerliche Suche nach einer Übernachtungsmöglichkeit noch zu früh und so wandere ich gemütlich der Sense entlang weiter bis Flamatt.
Hier entschliesse ich mich spontan für das Hotel «Moleson». Obwohl das Hotel direkt unter einer Autobahnbrücke liegt, ist in der Nacht keinerlei Lärm zu hören und es schläft sich nach einer Wanderung von 6 Std 45 Min. und einem fantastischen Nachtessen ausgezeichnet.
7. Tag (Flamatt-Allmendingen)

Heute steht Bern auf dem Programm. Auf diesen psychologisch mir wichtigen Meilenstein freue ich mich schon seit Tagen. In der Hauptstadt durfte ich während mehrerer Jahre wohnen und arbeiten. Die Innenstadt mit ihren Lauben und Gassen kenne ich deshalb gut und ich werde die Stadt nicht zu Fuss, sondern mit den ÖV durchqueren.

Nach kurzweiligen drei Stunden treffe ich bereits in Köniz ein. Dort steige ich in die Buslinie 29, welche mich in wenigen Minuten nach Wabern bringt. Beim Tierpark Dählhölzli linke ich mich wieder auf den TST ein, welcher nun bis zum Flughafen Belpmoos der renaturierten Aare folgt - eine wunderbare Teilstrecke!

Hier am Flughafen wäre ich nun eigentlich reif für ein Nachtlager, doch das Hotel meiner Wahl ist geschlossen und andere Übernachtungsmöglichkeiten befinden sich zu weit weg vom Trail und ich beschliesse einmal mehr, die Wanderung länger als eigentlich geplant, fort zu setzen.

In Allmendingen finde ich nach langen sechs Stunden im Hotel «Hirschen» die ersehnte Unterkunft. Auch hier saubere, ruhige Zimmer, dazu eine gute Küche zu absolut fairem Preis.

Absolutes Highlight von Heute: ein mir entgegen kommender rückwärts laufender Wanderer mit Rucksack!
8. Tag (Allmendingen-Schafhausen)

Das Frühstück heute fällt etwas einfach aus, doch das von der Wirtin liebevoll im Kühlschrank deponierte Sandwich und Jogurt und der Kapsel Café aus dem aufgestellten Automaten reichen für einmal vollkommen. Das Znüni heute wird dafür ein bisschen reichhaltiger ausfallen.

Heute geht’s bei prächtigem Sommerwetter so richtig ins Emmental, mit all seinen Tiefs und Hochs - im wahrsten Sinne des 'Wortes.
In diesem weltbekannten Landesteil sind unzählige Eggen zu erklimmen. Dies mit dem Wissen, dass die gemachten Höhenmeter in keinster Weise an die Höhenmeter angerechnet können, welche zur Überwindung der Alpen nötig sind. Nein, jeder im Emmental erstiegene Höhenmeter wird unweigerlich früher oder später durchs Hinuntersteigen in die Chrächen wieder vernichtet.
Die Aussicht allerdings von diesen Högern ist an schönen Tagen atemberaubend!.

Hochs erlebt man auch in der Emmentaler Gastronomie. Jedes, noch so kleine, Emmentaler Dorf bietet zahlreiche Übernachtungsmöglichkeiten. Diese Landgasthöfe warten nicht nur mit komfortablen Zimmern auf, sondern immer auch mit einer hervorragenden Küche.

Tiefs erwarten einen aber auch hoch oben. Ich kann mich nicht erinnern, von wie vielen frei laufenden Hunden ich auf einsamen Höfen angebellt und auch angegriffen worden bin. Es waren deren unzählige! Auch Kühe hatten es auf mich abgesehen. Dies nicht etwa in der Nähe eines Hofes, wo man Zuflucht hätte suchen können - nein auf offener Weide, meilenweit von irgendeiner Menschenseele entfernt.
Stossgebete, meine Wanderstöcke und tote Hühner haben mich vor dem Gröbsten bewahrt.

Ja, ein totes .Huhn hat mich einmal vor den Fängen eines Boxerhundes gerettet. Dies kam so: nach einer längeren Wegstrecke im typischen Emmentaler Hoch- und Tiefland gelangte ich zu einem Gehöft, an einer asphaltierten Strasse, als wie aus dem Nichts ein Boxer hinter einer Hauswand auf mich losstürmte und mich zu attackieren drohte.

Obwohl ich bei jedem Hof meine Augen und Ohren weit offen halte, um angreifende Hunde früh ausmachen zu können, hat mich dieser Hund heftig erschreckt und Angst machte sich in mir breit. Mit beiden Wanderstöcken konnte ich das Biest auf Distanz halten und mich rückwärts bewegend, wollte ich mich aus dieser Situation retten als ich auf etwas trat, das mich fast zum Stolpern brachte. Ich konnte es nicht glauben: mitten auf der Strasse lag ein totes Huhn. Es musste von dem Auto überfahren worden sein, von dem ich mich eben noch mit einem Satz ins Gras selbst habe retten können. Dem armen Huhn hat es offenbar hierzu nicht mehr gereicht.

Dieses tote Huhn war nun meine Rettung: Mit einem meiner Wanderstöcke zeige ich dem immer noch wild kläffenden Boxerhund dieses Huhn und offenbar war dieser Hund ab sofort nur noch diesem Huhn angetan. Ich jedenfalls konnte mich nun rückwärts laufend langsam aber sicher aus dem Staub machen. Und ab jetzt habe ich auch vollstes Verständnis für rückwärts laufende, mir entgegenkommende Wanderer.

Mein Etappenziel heute ist, nach 6:30 Wanderzeit, Schafhausen, einem kleinen Emmentaler Dorf. Ein gemütlicher Landgasthof mit grossen, ruhigen Zimmern ist im «Rössli» schnell ausgemacht. Und auch hier gibt’s ein wunderbares Nachtessen.
9. Tag (Schafhausen-Langnau i.E.)


Alles der Emme folgend ist die heutige Etappe leicht und in knapp 4 Stunden rasch durchwandert.

Alles andere als leicht und rasch gestaltet sich heute ausnahmsweise die Suche nach einer Übernachtungsmöglichkeit.
Hatte ich bis anhin nie das geringste Problem diesbezüglich, so ergibt die Nachfrage im ersten in Frage kommenden Hotel in Langnau, dass alle Zimmer besetzt seien. Die telefonische Nachfrage im nächsten Hotel ergibt dasselbe Ergebnis. Ich will nicht weiter Zeit verlieren mit der Hotelsuche und entschliesse mich, mit der SBB nach Signau zu fahren. Dort finde ich einmal mehr schon rasch im «Zum roten Thurm» einen ausgezeichneten Landgasthof.

Eine gute Übernachtungsmöglichkeit ist mir auf dieser Wanderung sehr wichtig. Neben einem ruhigen Zimmer sind mir die Nähe zum TST, ein bequemes Bett und der Möglichkeit der guten Verpflegung sowohl beim Nachtessen, als auch beim Frühstück, sehr wichtig. Dies alles hat zwar seinen Preis, doch Jugendherbergen oder B&B, möglichst noch mit Familienanschluss, sind nicht so mein Ding.
Da ich meist vor acht Uhr morgens schon unterwegs bin, erreiche ich mein Nachtquartier oft bereits gegen 13/14 Uhr. Somit bleiben mir genügend Zeit, für die Körperpflege und das Waschen meiner Wäsche. Im Militär hiess dies PD/ID.

Die restliche Zeit des Nachmittags verbringe ich meist mit der Planung der nächsten Etappe, dem Durcharbeiten meiner Notizen und Fotos auf dem Smartphone und v.a. auch mit Relaxen und Nichtstun. Auch nach längeren Tagesetappen kann ich mich so bestens für den nächsten Tag vorbereiten und erholen. Zeit um all die angegebenen Sehenswürdigkeiten zu besuchen, finde ich nicht. Die Erholung und Vorbereitung der nächsten Etappen haben in meinem Fall Vorrang.
10. Tag (Langnau i.E.-Eggiwil)

Nach einem ausgiebigen Frühstück in gepflegtem Ambiente fahre ich mit der SBB zurück zum gestrigen Etappenziel in Langnau.
Vorsichtshalber komplettiere ich in diesem grösseren Ort meine Reiseapotheke. Insbesondere gegen allfällige Blasen oder Wespenstiche will ich besser gewappnet sein.

Nach dem Durchzug einer sehr aktiven Kaltfront in der Nacht ist die Lufttemperatur heute mit 17 Grad auf 1000 m. ü. M. angenehm frisch.
Auch heute stehen wieder etliche Eggen und Chrachen auf dem Programm. Jeden erklommenen Höhenmeter gilt es rasch möglichst zu vernichten, um dann sofort wieder den nächsten Hoger in Angriff zu nehmen. «Emmental - Du bist gnadenlos!»

Im Aufstieg zum Hegenloch, neben dem Urnerloch einem der ältesten Tunnel der Schweiz, braust ein junger Bursche mit einem auffällig bemalten Toyota an mir vorbei. Was um Gottes Willen sucht der hier oben? Ich dachte in dieser Gegend sei ich zur Zeit das einzige menschliche Wesen? Eine Staubwolke hinter sich herziehend, verschwinden die beiden hinter der nächsten der zahlreichen Kurven.
Hinter dem eindrucksvoll in die Nagelfluh gehauenen Tunnel offenbart sich mir des Rätsels Lösung.

Der Bursche ist gerade daran, sorgfältig den Staub von seiner Geliebten zu wischen um diese dann von allen Seiten abzulichten.
Gespannt folge ich den Ausführungen des stolzen Besitzers auf meine zahlreichen Fragen und ich lasse mich in die Geheimnisse des Autotuning’s einweihen. Da geht es um Auspuffanlagen, Body Kits, Interieur und im vorliegenden Falle insbesondere um die HiFi-Anlage im Gepäckraum. Als Musikinteressierter will ich natürlich nicht bloss Zahlen hören, sondern die Anlage auch in Action erleben. Was nun folgt ist eine Darbietung der anderen Art: Um die erforderliche Wattleistung erreichen zu können, muss zuerst der Motor des Boliden gestartet werden. Und dann gibt’s eine Performance wie ich sie noch selten erlebt habe! Denn Diskomusik ertönt nun in der Stärke eines mit Nachbrennern startenden F/A-18. Die Wucht mit der die Musik, reflektiert von der Nagelfluhwand, das eine und via Tunnel das daneben liegende Tal beschallt, ist fulminant! Ein Konzert der Superlative in the middle of nowhere!

Ein steiler Abstieg bringt mich zurück in die Realität bzw. nach Eggiwil, wo ich im Hotel «Hirschen» eine zweckmässige Unterkunft finde. Zum ersten Mal muss ich fürs Nachtessen einen anderen Gasthof im Dort aufsuchen, da das Restaurant des «Hirschen» an diesem Tag geschlossen war.

Heute bin ich während vier Stunden, gewandert und habe dabei die 200-Kilometermarke überquert. Ohne die kleinste Blase oder sonstige Verletzung erlitten zu haben - ich bin dankbar.
11. Tag (Eggiwil-Kemmeribodenbad)

lch bin nicht traurig das Auf und Ab, die Hochs und Tiefs des Emmentals mit der heutigen Etappe abschliessen zu dürfen. Um Missverständnisse gar nicht erst aufkommen zu lassen: das Emmental ist grossartig! Die Landschaften, die Aussichten, die Gasthöfe mit der ausgesprochenen Gastfreundschaft - einzigartig! Was ich aber nicht mehr vermissen werde, .sind die stotzigen Aufstiege mit den unweigerlich folgenden steilen Abstiegen. Die habe ich nun zur Genüge erlebt!

Heute also die letzte Etappe im Emmental, das Ziel «Kemmeribodenbad» Ich habe schon viel gehört von diesem schönen Gasthof und möchte es heute unbedingt bis dorthin schaffen und dort auch übernachten. Um ganz sicher ein Zimmer zu kriegen, reserviere ich zum ersten Mal auf dieser Wanderung zum voraus.

Heute begleiten mich auffallend viele Geräusche. Neben den gewohnten Kuhglocken, sind es die zirpenden Heuschrecken, der stetige Wind in den hohen Baumwipfeln, ein Kirchengeläute aus einem Emmentaler Dorf oder das Brummen von einigen Sportflugzeugen am Himmel.
Die Aussicht vom Wachthubel ist am heutigen Tag schön, wenn auch nicht atemberaubend, wie an manchen Stellen beschrieben. Die Wolken sind zu zahlreich und erlauben keine Fernsicht.

Aus welchem Grund auch immer, kommen mir bei einer Rast auf einer Weide meine früheren zahlreichen Alpenüberquerungen in kleinen Sportflugzeugen in den Sinn und eine innere Stimme sagt mir spontan, dass ich am heutigen Tag keine Alpenüberquerung wagen würde. Wieso ich dabei ausgerechnet an den Sanetschpass denken muss, den ich jeweils benutzt habe um vom Berner Oberland ins Wallis zu gelangen? Ich weiss es nicht.

Ich bin dann zutiefst erschüttert, als ich in der Tagesschau am Abend vom Absturz eines Kleinflugzeuges am Sanetschpass am heutigen Tag erfahren musste.

Heute folge ich einmal mehr genau der offiziellen Streckenführung des TST und muss dabei feststellen, dass dieser offizielle Weg nicht immer der für mich sinnvollste ist.
An einer Stelle der heutigen Etappe zweigt der TST von der asphaltierten und wenig befahrenen Strasse ab auf einen steilen Pfad durch ein Waldstück, um wenige Hundert Meter weiter oben auf dieselbe Strasse zurück zu finden. Der Zufall will es dass auf eben dieser Abkürzung zwei Bäume quer zum Pfad liegen, die im steilen Gelände nur mit viel Mühe und Zeit über-, bzw. unterklettert werden können. Ich nehme mir ab sofort vor, nicht mehr stur der Wegmarkierung zu folgen, sondern mich zuerst auf der Karte über Sinn und Unsinn solcher «Abkürzungen» zu informieren. Dies gehört ab sofort neu zu meinen Vorbereitungsarbeiten am Vortag. Ich bin ja schliesslich nicht auf einer Pilgerreise um Busse zu tun.

Nach 5 Stunden erreiche ich recht erschöpft ob der vielen Höhenmetern Schangnau und ertappe mich dabei, abzuwägen, allenfalls den Bus für die noch anstehenden 2 Std und 20 Min. weiter nach Kemmeribodenbad zu nehmen. Doch ich weiss, dass ich mir eine solche Erleichterung nie würde verzeihen können und nehme ohne Pause einzulegen den letzten Teil dieser Elefantenetappe in Angriff.

Nach wirklich langen 7:20 erreiche ich das Kemmeribodenbad, wo man mich überaus freundlich empfängt und mir sogar ein Upgrade in ein Superior Zimmer offeriert, ich hätte ja schliesslich einen anstrengenden Tag gehabt. Das Nachtessen ist hervorragend und ich entschliesse mich spontan, hier im Kemmeribodenbad eine zweite Übernachtung anzuhängen und mir meinen ersten Ruhetag zu gönnen.
12. Tag (Ruhetag im Kemmeribodenbad)

Es bestand in meiner Planung nie die Absicht, hier einen Ruhetag einzulegen. Nach der Marathonetappe vom Vortag aber bekommt mir dieser freie Tag umso besser.
Wäsche waschen, diesmal inkl. Wanderhosen, die weiteren Etappen planen, einige Mails beantworten und v.a. ausspannen. Ich verlasse das gemütliche Zimmer praktisch nur zwecks Verpflegung im feinen Restaurant.

Konnte ich auf den ersten elf Etappen einfachen Wanderwegen folgen, welche meist mühelos alleine bewältigt werden konnten, so folgt der TST auf dem Weg durch die Alpen immer mehr auch Bergwanderwegen. Dieser Tatsache war ich mir bis dato gar nicht bewusst, glaubte ich doch es handle sich, wie in der SchweizMobil -App zu Beginn erwähnt, um einfache Wanderwege. Erst beim Beschrieb der einzelnen Etappen wird auf das Vorhandensein von Bergwanderwegen verwiesen. Meine Nachforschungen über die Definition von Bergwanderwegen im Internet lassen mich nun aber daran zweifeln, den gesamten TST alleine begehen zu wollen. Es ist die Rede von «steil», «unwegsam», «mit Seilen gesichert» usw. Welchem meiner für diese Wanderung wichtigen Grundsätze will ich Priorität geben, demjenigen, alles alleine durchwandern zu wollen, oder demjenigen: «Safety first»?

Mein Berufsleben war von dem einen Grundsatz geprägt: «Safety First!» Und ich will diesem Grundsatz auch hier auf dem TST treu bleiben und entschliesse mich, sämtliche mit «Bergwanderweg» bezeichneten Streckenabschnitte nur in Begleitung zu durchwandern. Die Strecke Sörenberg­ Giswil, welche als erste Etappe über einen solchen Bergwanderweg führt, soll die einzige Ausnahme bleiben - zu kurz ist die verbleibende Zeit, eine Begleitung zu organisieren.
13.Tag (Kemmeribodenbad-Sörenberg)

Es herrscht auch heute traumhaftes Sommerwetter und frisch ausgeruht und immer noch hoch motiviert, nehme ich früh morgens die Etappe nach Sörenberg in Angriff. Heute also gelange ich vom hintersten Emmental ins hinterste Entlebuch.

Der leicht ansteigende Wanderweg bietet wildromantische Ausblicke auf Schrattenflueh und Hohgant. Dabei erfreuen ebenso der Duft von frisch geschnittenem Gras und gewendetem Heu, als auch das Gezirpe der vielen Heuschrecken und das Geschrei von Alpendohlen.
Aufgefallen ist mir aber auch ein entgegenkommender Rennvelofahrer, der offenbar vom asphaltierten Weg abgekommen zu sein scheint. Er trägt sein Vehikel auf der Schulter und stakst in seinen Veloschuhen, wie der Storch auf dem Salat, in Richtung Kemmeribodenbad.

Beim Salwideli verlasse ich den TST und bleibe auf der wenig frequentierten Strasse bis Südelhöhe und gelange nach kurzen drei Stunden nach Sörenberg.

Ein einladendes Touristenbüro im Dorfzentrum schreit geradezu danach, nicht selbst nach einer Unterkunft zu suchen, sondern sich beraten zu lassen. Eine sehr freundliche Angestellte schlägt mir denn auch ein paar Hotels vor, wobei mich das eine Angebot sofort überzeugt: das Erlebnis-Restaurant «Rossweid» biete wenige Zimmer mit Halbpension zu sehr erschwinglichen Preisen an. Und nicht nur die Bahn auf die Rossweid sei im Zimmerpreis inbegriffen, sondern auch die Bahn auf das Brienzer Rothorn! Gekauft!

Obwohl ich an diesem Tag offenbar der einzige Hotelgast auf der Rossweid bin, bereitet mir der Koch ein wunderbares 4-Gang-Menü zu. Ich fühlte mich auf dem gesamten TST in all den Gasthöfen stets gut bis sehr gut aufgehoben, doch mein Aufenthalt auf der Rossweid bleibt absolut unvergesslich - nur zu empfehlen!
14. Tag (Sörenberg-Sachseln)

Zu einem tiefen Schlaf auf der Rossweid beigetragen haben nicht nur die angenehm kühlen Temperaturen auf 1500 m. ü. M. sondern auch das nächtliche Kuhglockenkonzert - auch dieses im Übernachtungspreis inbegriffen.

Heute geht’s also zum ersten Mal auf einem Bergwanderweg vorwärts. Die mir nun bekannten Unterschiede zu einem Wanderweg flössen mir für den heutigen Tag etwas Respekt ein. Ist der Unterschied wirklich spürbar? Schaffe ich diesen Abschnitt alleine? Hätte ich doch nicht lieber warten sollen, bis ich eine Wanderbegleitung hätte auftreiben können?

Mit besonderer Vorsicht wage ich mich an diese Etappe. Wiederum traumhaftes Sommerwetter mit in dieser Höhe doch angenehmen Temperaturen. Die Wege sind trocken und wirklich problemlos zu begehen.

Der Aufstieg zum Fuss des Giswilerstocks ist abwechslungsreich, ebenso der Abstieg nach Giswil. Auch hier weiche ich ab und zu vom offiziellen TST ab und folge der an diesem Tag wenig befahrenen asphaltierten Strasse hinunter ins Tal. Ich merke, dass ich in schwierigem Gelände gerne auf bessere Wege oder Strassen ausweiche, sofern diese nicht oder wenig befahren sind. Auf solchen Abschnitten kann ich viel besser meinen Gedanken nachgehen oder mich an der Gegend und der Aussicht erfreuen. Zudem ermüde ich auf diesen Abschnitten, trotz der stets längeren Wegstrecke, weniger rasch.

Nach kurzweiligen, knappen 4:30 Std. erreiche ich Giswill und entschliesse mich im Hotel «Zollhaus» zu übernachten. Doch das Hotel ist heute geschlossen. Mh! Also wandere ich dem Seeufer weiter und versuche mein Glück irgendwo in Sachseln. Doch auch hier im Gasthaus «Bahnhof» bin ich falsch. Zimmer zum Übernachten gäbe es hier keine. Fündig werde ich dann aber nach genau 5:40 Std. im sehr gepflegten Hotel «Kreuz». Sehr charmante Zimmer, hervorragende Küche, wenn auch zu einem etwas höheren Preis, als ich dies bisher gewohnt war. Sehr empfehlenswert!

Fazit von dieser ersten Etappe auf einem Bergwanderweg - gutes Wetter und trockene Verhältnisse vorausgesetzt - durchaus machbar. Dennoch bleibe ich bei meinem Entschluss, Bergwanderwege ab heute nur noch zu zweit zu begehen. Am Abend starte ich bei Freunden und Bekannten einen entsprechenden Aufruf.
15. Tag (Sachseln-Stans)

Heute sind starke Gewitter auf den frühen Nachmittag angesagt, weshalb ich mich bereits vor acht Uhr bei schönstem Wetter auf den Weg mache. Den Umweg über Flüeli- Ranft lasse ich bewusst aus, kenne ich jene Gegend bereits von Mountainbike-Ausflügen. Zudem gibt mir diese Abkürzung einen Vorsprung auf die vorausgesagte Gewitterfront.

Hier in Sachseln verlasse ich deshalb den TST und folge wunderbar ausgebauten Wanderwegen bis nach Kerns und weiter bis ausserhalb Wisserlen, wo ich wieder auf den TST treffe. Auffallend oft in dieser Gegend zweigen, als Pilgerwege bezeichnete Pfade, vom markierten Wanderweg ab in Richtung irgend eines steilen Hogers, um teils wenige Hundert Meter später wieder auf den eben verlassenen Wanderweg zurück zu kehren. Solche Pilgerumwege - ich nenne sie mittlerweile «Flagellantenwege» - versuche ich wenn immer möglich zu vermeiden! Ich wiederhole mich, aber ich bin nicht hier um Busse zu tun, .sondern ganz einfach um unser wunderbares Land zu Fuss zu durchqueren.

Trotz des immer noch traumhaften Sommerwetters, konsultiere ich öfter als sonst meine Wetterradar-App. Tatsächlich kann ich die Vorderseite der Front bereits über dem Welschland ausmachen. Die ersten Cirren sind denn auch schon bald am westlichen Himmel sichtbar.

Nach genau 5 Std. erreiche ich den wunderschön gestalteten Dorfplatz in Stans und darf feststellen, dass dieser Platz förmlich von einladenden Hotels umsäumt wird. lch entscheide mich spontan für den «Engel» - eine gute Wahl, wie sich herausstellt. Günstige, einfache aber moderne Zimmer mit einer «Mini Beiz- Dini Beiz» Gewinnerbeiz. Kaum im Hotelzimmer die Wäsche gemacht, fängts draussen an zu stürmen und ich bin heilfroh, dieses Unwetter nicht irgendwo in der Natur aussitzen zu müssen.

Überhaupt sei an dieser Stelle erwähnt, dass ich auf meiner Wanderung bis heute keinen einzigen Regentropfen abbekommen habe. Immer nur trockenes, meist sehr warmes Sommerwetter! Die Gewitter fanden jeweils am Nachmittag oder in der Nacht statt.

Für den darauffolgenden Tag ist wiederum schönstes Sommerwetter angesagt und ich fasse spontan den Entschluss, morgen bis Beckenried zu wandern und dort das Kursschiff bis nach Flühlen .zu nehmen. Ich umgehe damit zwar eine Tagesetappe, aber diese Schifffahrt zählt zu den schönsten im Land und ausserdem kenne ich den Seelisberg zur Genüge aus meiner Jugendzeit.
16. Tag (Stans-Erstfeld)

Die Strecke von Stans nach Beckenried zieht sich doch etwas länger hin als vermutet und ich verpasse beinahe das Kursschiff, welches mich bei schönstem Sommerwetter nach Flühlen bringen soll.

Bei zu vielen Dingen musste ich stehen bleiben und staunen: Ich habe noch nie live eine Pilatus PC-24, den neu entwickelten Privatjet von PILATUS, gesehen. Dann die wunderbaren Villen am See in der Gegend von Beckenried. Selbst bei den offiziellen Abfallsäcken vor den Häusern kann ich mich verweilen. Was um Gottes Willen bedeutet das in weisser Farbe aufgedruckte «SUiBR!» auf den roten Kehrichtsäcken?

Die letzten Hundert Meter vor der Schiffsanlegestelle rennend erreiche ich noch knapp mein Kursschiff. Per Zufall darf ich diese Schifffahrt auf der «MS Diamant», dem neuesten Schiff der Schifffahrtsgesellschaft des Vierwaldstättersees, erleben. Dieses prächtige und sehr modern wirkende Schiff wurde erst diesen Mai 2017 in Dienst gestellt. Es handle sich um das erste klimaneutrale Kursschiff der Schweiz, wird stolz erzählt.

In der Gegend von Brunnen fallen die zahlreichen Wasserflugzeuge auf. Meine Recherchen ergeben, dass in Brunnen tatsächlich das Seaplane Meeting 2017 stattfindet. Ein Rundflug im Wasserflugzeug bei diesem Wetter, in dieser prächtigen Landschaft, muss wohl einmalig sein.

Viel zu kurz ist die Fahrt auf dem Vierwaldstättersee und wir treffen schon bald in Flühlen ein, von wo ich zügig meine Etappe nach Erstfeld fortsetze.

Mit dieser Wanderung von Flühlen nach Erstfeld beginnt etwas Neues. Es beginnt hier die Alpenüberquerung! Jeder erklommene Höhenmeter ist ein Höhenmeter dem Gotthardpass näher. Die Zeiten, wo jeder Höhenmeter möglichst rasch wieder vernichtet werden musste, wie dies im Jura und Emmental der Fall war, gehören bis Bellinzona zumindest der Vergangenheit an. Auch die Gegend hier ist anders: es sind hier im ReusstaI nicht unbedingt Aussichten, die den Reiz ausmachen, sondern es sind dies die von Menschenhand gebauten Kunstwerke wie Strassen, Wege·, Brücken, Kraftwerksanlagen oder Eisenbahnlinien. Auffallend aber auch der damit einhergehende Lärm von der Auto- oder Eisenbahn, oder auch Lärm der zahlreich in die Tiefe stürzenden Bäche oder von der wilden Reuss.

Ab hier sind auf Informationstafeln entlang des Wanderweges immer wieder interessante Details zum Gotthardpass nachzulesen. Erstfeld erreiche ich nach 3:30 Std., ab Flühlen gerechnet. Total sind heute also 5:30 Std. zusammen gekommen.

Im Hotel «Albert» finde ich eine einfache und zweckmässige Unterkunft. Leider erinnert mich mein Aufenthalt hier in Erstfeld an den tragischen Absturz eines Fliegerkameraden, der sich fast auf den Tag genau vor 19 Jahren in Sichtweite meines Hotels ereignet hat.
17. Tag (Erstfeld-Wassen)

Heute beginnt bei leicht bewölktem Himmel mein 17. Wandertag. Bisher immer noch ohne Regen und ohne die geringste Blasenbildung an den Füssen. Ich bin mir im Klaren, dass es ein grosses Privileg ist, solch eine Wanderung machen und über die nötige Gesundheit, Zeit und Musse verfügen zu dürfen. Ich verspüre täglich, eine grosse Dankbarkeit!

Je weiter südlich man der Reuss folgt, desto enger wird das Tal und die Strassen und Bahnlinien und Stromleitungen werden nicht weniger - das Resultat ist eine Konzentration von Interessantem und Spannendem, auf immer kleinerer Fläche.


Der perfekt markierte TST-
Wanderweg muss sich hier noch viel mehr dem Gelände anpassen, als noch im Jura oder Ernmental. Auf steilen, aber immer noch gut ausgebauten Wanderwegen, geht’s teils tief runter in eine Schlucht, um auf der anderen Seite mindestens so steil wieder rauf zu führen. Solche Schluchten dürfen ab und zu aber auch auf eigens erbauten Brücken einfach so überquert werden! Mit Hilfe von Tunnels können Felsvorstösse einfach so durchwandert werden... Wer sind diese Menschen, welche aII diese Wanderwege in den Berg gehauen haben?
Wieviel Schweiss und Blut hat sie das gekostet? Ich als Wanderer muss diese Wege und Brücken und Tunnels bloss noch begehen - nein, ich darf all diese Bauten begehen, einfach so!.

Und, es ist ja nicht nur dieser Wanderweg, der hier durchs wilde Reusstal führt, nein es kommen unzählige kleinere und grössere Strassen dazu, Autobahnen und Eisenbahnlinien mit ihren Tunnels und Viadukten! Diese Tatsache wird mir erst in diesem Reusstal so richtig bewusst, ich zolle all diesen unzähligen Arbeitern meinen allerhöchsten Respekt! Meinen nächsten Stau vor dem Gotthardtunnel werde ich ab sofort ganz anders wahrnehmen.

Der Weg führt an etlichen Stellen teils quer durch abenteuerlich angelegte Steinschlag-Auffangnetze. Drei Tage sind seit dem tragischen Bergsturz von Bondo vergangen und mich befällt ein äusserst mulmiges Gefühl, als ich diese Verbauungen durchquere.

Vom Weg, welcher öfters die Talseite wechselt, kann ich im Verlaufe des Tages mehr als einmal einen Autostau beobachten und tatsächlich bin ich in solchen Momenten rascher unterwegs gen Süden als die Automobilisten! Ein bisschen Schadenfreude ist nicht zu leugnen.

Heute sollte ich auch meinen vielleicht gefährlichsten Moment des ganzen TST erleben: irgendwo zwischen Silenen und Gurtnellen verläuft der Weg durch ein Tunnel, welcher hier auch von Autos benutzt werden kann. Das Innere dieses Tunnels ist stockdunkel, weil ohne Beleuchtung und wegen der Kurve,.den dieser Tunnel beschreibt. 'Wenn mir jetzt bloss kein Auto entgegen kommt', fährt es mir durch den Kopf. Doch mitten im Tunnel passiert, was unter keinen Umständen passieren darf: ich höre, dass ein Auto ins Tunnel einfährt und dies offenbar nicht zu langsam. Noch sehe ich den Wagen nicht, bin mir aber sofort bewusst, dass ich mich in einer äusserst gefährlichen Situation befinde. Der Tunnel ist zu schmal um mich an die Wand schmiegen und so das Auto vorbei lassen zu können. In dieser Situation bleibt mir nur die Möglichkeit, mich mitten auf dem Weg aufzubauen und mit den Armen zu fuchteln, in der Hoffnung dem Autofahrer so besser aufzufallen. Jetzt endlich tauchen zwei Scheinwerfer vor mir auf, welche mich blenden und es mir verunmöglichen, abzuschätzen, wie weit entfernt von mir das Auto ist. Ich erwarte den Zusammenstoss jeden Moment…

Endlich höre ich, dass das Auto bremst, der Autofahrer mich offenbar bemerkt hat. Dicht an die Tunnelwand gedrückt, lasse ich dieses und ein zweites Auto passieren dann strauchle ich, erneut blind von den grellen Scheinwerfern, der Tunnelwand folgend ins Freie. Das war verdammt knapp und ich lass ein kurzes aber intensives Stossgebet gegen Himmel steigen. Als ich endlich zum Tunnel raus komme, entdecke ich beim Eingang einen Lichtschalter, mit dem das Tunnellicht hätte eingeschaltet werden können. Und ich muss annehmen, dass sich ein ebensolcher Schalter auch beim anderen Tunneleingang befunden hätte...Tja?!

Das Bier und ein deftiges Nachtessen in der «Alten Post» in Wassen habe ich mir heute verdient! Wanderzeit heute: 5:30 Std
18. Tag (Wassen-Andermatt)

Auf dieser spannenden, interessanten Etappe muss ich feststellen, dass der Weg auf meiner App mit „einfach“ (Wanderweg/gelb) angegeben ist. Unterwegs erst stellt sich aber heraus dass der Weg als Bergwanderweg (weiss-rot-weiss) markiert ist. Tatsächlich empfinde ich diese Etappe nicht unbedingt als schwieriger als die vorhergehende, doch dies könnte sich auch hier bei nassen Bedingungen schlagartig ändern.
Ich habe mir vorgenommen, Bergwanderwege nur in Begleitung zu absolvieren. Wegen einer Falschinformation habe ich diesen Grundsatz heute nicht eingehalten.

Geschichtlich interessant ist diese Etappe allemal. Suworow­ Denkmal inkl. Russischer Fahne im Herzen der Schweiz. Teufelsbrücke. Schöllenenschlucht. Wanderzeit heute: 3:45 Std.

Hier endet mein Alleingang. .Auf meinen Aufruf aus Sachseln haben sich etliche Freunde und Verwandte gemeldet und sich bereit erklärt, die eine oder andere Bergwanderweg-Etappe mit mir zu bestreiten. Ich entschliesse mich für Roland und Jörg. Beide haben Zeit und beide schätze ich als sehr gute und zuverlässige Freunde, .zudem sind beide sportlich sehr gut drauf. Ich freue mich auf die kommenden Etappen zu zweit.
Um mich der Verfügbarkeit meiner Begleitung anzupassen, muss ich die Reihenfolge der Etappen ab jetzt leicht abändern. Dennoch seien sie hier im Text chronologisch aufgeführt.
19. Tag (Andermatt-Gotthardpass)

Ab heute beginnen die Bergwander-Etappen und Jörg wird mich von Andermatt bis Biasca begleiten.

Am imposanten «The Chedi» und einem Golfplatz vorbei geht’s bei leichtem Nebel in Richtung Hospenthal, dann dem alten Saumweg folgend weiter in Richtung Gotthardpass, dies bereits wieder bei schönstem Wanderwetter. Einmal mehr bin ich überwältigt von den Leistungen unserer Vorfahren, welche diese Route über die Alpen begehbar gemacht haben. Offenbar haben bereits die Römer, neben dem Septimer- und Reschenpass, auch die Gotthardroute benutzt. Für den Waren- und Personenverkehr war allerdings die Begehbarkeit der Schöllenenschlucht nötig, was mit dem Bau der ersten Teufelsbrücke im Jahre 1230 Tatsache wurde. Kaum vorzustellen, unter welchen Strapazen all diese Wege, Brücken und Treppen gebaut werden mussten. Und wir Wanderer im 21. Jahrhundert brauchen diese Wege einfach nur noch zu durchlaufen!

Eine Rast lässt uns am Fusse des Brigghubels die nicht wenigen Autos bestaunen, welche von ihren Besitzern an diesem Prachtstag nicht durch den Gotthardtunnel, sondern über den Pass chauffiert werden. Dabei befinden sich wahre Schmuckstücke, darunter auch zahlreiche Cabriolets. Obwohl Jörg bereits ein wunderschönes altes Cabriolet sein eigen nennen darf, sinniert er darüber, welches Cabriolet er sich heute zulegen würde, müsste er sich heute hierzu entscheiden. Der neue Fiat 124 Spider, Cabriolet in weiss müsste es sein, träumt er laut vor ich hin, als in genau diesem Moment - man ahnt es - ein weisser Fiat 124 Spider, Cabriolet in weiss vor uns um den Felsvorsprung biegt. Wir beide fallen in schallendes Gelächter aus. Da soll einer noch behaupten, wir Menschen besässen keinen 7. Sinn, mit dem wir etwas vorausahnen können.

War mir auf meinen bisherigen Etappen wichtig diese alleine zu durchwandern und meinen Gedanken freien Lauf zu bieten, geniesse ich die interessanten Gespräche mit Jörg sehr. Es macht auch grossen Spass Schönes zu teilen.

Nach kurzweiligen 4:30 Std. erreichen wir den Gotthardpass und beziehen unsere Zimmer im neu renovierten, sehr raffinierten Hotel «Hospiz». Es ist eines der wenigen Male, wo wir die Unterkunft zum voraus reserviert haben. Wir wollten unbedingt im «Hospiz» übernachten und die wenigen Zimmer dort sind oft ausgebucht - sehr zu empfehlen!
20. Tag (Gotthardpass-Deggio)

Der Blick am Morgen aus dem Fenster lässt mich erstarren. Stock dicker Nebel! Ans Wandern ist nicht einmal zu denken, dies trotz bester Wetterprognose.

Das ausgiebige, herrliche Frühstücksbuffet im Hotel «Hospiz», lässt uns das eher mässige Nachtessen von Gestern im Restaurant des «Hotel San Gottardo» vergessen und gibt dem Nebel genügend Zeit, sich zu verziehen.

Wie auf Kommando herrscht beim Abmarsch um ca. halbacht Uhr perfektes Wanderwetter mit angenehmen Temperaturen. Eindrücklich die Tremola mit phantastischem Ausblick in die Leventina.

Airolo ist in etwas mehr als zwei Stunden erreicht und es ist klar, dass wir hier nicht bereits wieder ein Nachtlager aufsuchen, wie von der App vorgeschlagen, sondern einen Teil der nächsten Etappe in Angriff nehmen wollen. Bis Osco wird's wohl nicht reichen - mal schauen, was Sinn macht.

Hier beginnt die Strada Alta, welche etwas von ihrem früheren Glanz verloren zu haben scheint. Etliche Gastwirte bestätigen jedenfalls unsere Vermutung. Es sind tatsächlich wenige Wanderer auszumachen, nun, das sollte uns recht sein.

Waren die Bergwanderwege von Andermatt bis Airolo einfach zu begehen, welche gut auch alleine hätten bewältigt werden können, so bin ich ab Airolo sehr dankbar, in Jörg eine Begleitung dabei zu haben. Die Wege, welche hier mehr Pfade genannt werden müssen, sind oft eng und steil und verlaufen nicht selten entlang von steilen Hängen. Ein Sturz kann hier schwerwiegende Folgen haben.

Wir beide gehen die Sache vorsichtig an und kommen heute dennoch bis Deggio. Hier quartieren wir uns ein im Ristorante «La Campagnola». Das ausgezeichnete Nachtessen mit der sehr freundlichen Bedienung lässt uns die 6:05 Std. Wanderzeit rasch vergessen. Der Wirt besorgt uns sogar Proviant für die nächste Etappe! Dies nennen wir echte Gastfreundschaft
21. Tag (Deggio-Biasca)

Heute ist früh Abmarsch, wir wollen so weit als möglich wandern, denn schlechtes Wetter ist für die kommenden Tage angesagt.
Es ist dies auch heute, wo wir zum ersten Mal Strada Alta -Wanderer ausmachen können. Es sind aber deren wenige. Das Grüppchen Frauen lassen wir wegen deren nicht enden wollenden Mitteilungsbedürfnisses rasch hinter uns und auch das ältere Ehepaar haben wir rasch und für immer eingeholt und abgehängt. Wir sind wieder unter uns und müssen unser Tempo nicht an irgendeine Wandergruppe anpassen.

Als Tagesziel haben wir uns Anzonico vorgenommen, welches wir nach 5:30 Std. denn auch schon erreichen. Hier beginnt der Abschnitt mit dem steilen Abstieg runter nach Biasca den wir beide beschlossen haben, auszulassen. Wir wollen keinerlei Wagnis eingehen, wollen unsere Knie schonen und folgen der an anderer Stelle empfohlenen Variante und nehmen ab Anzonico den Bus bis Bodio.

Somit verlassen wir einmal mehr den TST und folgen ab Bodio der Strada Bassa, welche ebenfalls von Airolo nach Biasca führt, dies allerdings in der Talsohle. Eindrücklich ist hier insbesondere das imposante Südportal des Gotthard Basistunnels bei Bodio.

Für dieses Teilstück von Bodio nach Biasca brauchen wir nochmals 1:25 Std. und sind somit an diesem Tag fast 7 Std. marschiert.

Während mich Jörg hier in Biasca verlässt, um mich später für die letzten beiden Etappen des TST zu begleiten, beziehe ich für die nächsten paar Tage Unterkunft im Hotel «Croce Federale» in Bellinzona. Das Hotel ist für mich perfekt - nahe des Bahnhofs bzw. des Stadtzentrums gelegen. Die Zimmer sind gut ausgestattet, das Restaurant hervorragend und die Bedienung ausgesprochen freundlich. Zudem erhält jeder Hotelgast das Ticino Ticket, mit welchem sämtliche ÖV im ganzen Kanton gratis benutzt werden dürfen - ein für Touristen unschlagbares Angebot! Von hier aus will ich die nächsten Etappen angehen. Zudem erst noch mit einem viel leichteren Rucksack, kann ich so doch einige Utensilien im Hotelzimmer in Bellinzona lassen, zu dem ich jeden Abend zurückkehren werde.
22. Tag (Biasca-Bellinzona)

Ich benutze heute zum ersten Mal das Ticino Ticket und lasse mich von den SBB von Bellinzona nach Biasca, meinem gestrigen Etappenziel, bringen. Dort treffe ich mich mit Roland, der sich bereit erklärt hat, mich bei den nächsten beiden Etappen zu begleiten.

Und ich bin sehr froh um seine Company, handelt es sich doch um die vielleicht langweiligste Etappe des gesamten Trails. Sie verläuft alles geradeaus dem Ticino Fluss entlang, zudem ist es heute sehr heiss und feucht. Roland und ich haben einander seit einer gefühlten Ewigkeit nicht mehr gesehen und es gibt entsprechend viel zu erzählen. Die Wanderung dauert zwar genau 6 Std. und vergeht dennoch im Nu.

Das gemeinsame Bier und ein wunderbares Nachtessen im Croce Federale haben wir uns verdient!
23. Tag (Bellinzona-lsone)

Zu zweit geht’s heute nach lsone. Der Aufstieg dieser mit «einfach» auf der App bezeichneten Etappe ist steil und lang.
Und je weiter wir die Magadinoebene unter uns lassen, desto schwieriger werden die Verhältnisse. Und tatsächlich begleiten uns schon bald die ersten weiss-rot­ weissen Wegmarkierungen, schon wieder eine Fehlinformation auf der Wander­ App!

Ungefähr in der Mitte dieses Aufstieges verläuft der Pfad quer zu einem steilen Hang. Der Untergrund auf Blättern ist rutschig und der Weg an dieser Stelle sehr schmal. Links geht das Gelände steil rauf und rechts entsprechend steil runter. Eine Kehrtwende wäre hier mit dem Rucksack gar nicht mehr möglich, zu schmal ist der Weg. Der Rucksack käme an der Wand an und könnte einen leicht aus dem Gleichgewicht bringen.
Wie gewohnt die Wanderstöcke benutzen – undenkbar. Der Pfad ist auch hierzu zu schmal. Ich dachte stets, ich sei einigermassen schwindelfrei, doch hier komme ich an meine Grenzen und bin um meine Begleitung äusserst froh. Roland macht dieser Wegabschnitt von vielleicht 50 m Länge offenbar weniger aus als mir. Er ist es dann auch; der mir Mut zuruft und mir Tipps gibt, meine innere Krise zu überstehen. Schritt für Schritt für Schritt taste ich mich in dieser «Wand» vorwärts und bin unglaublich froh, als dieser Albtraum für mich endlich ein Ende findet.

Für mich war dieser kleine Albschnitt auf dem Weg von Bellinzona nach lsone die Schlüsselstelle des ganzen TST. Für mich bleibt unverständlich, wie man diesen Weg auf der App mit «einfach» deklarieren kann.

Oben angekommen bietet sich einem eine unvergleichliche Aussicht runter auf Bellinzona und die Magadinoebene und die ganze Müh mit diesem Aufstieg scheint vergessen.

Der Abstieg nach lsone auf der asphaltierten Strasse ist dagegen ein Klacks. Ich finde dabei genügend Zeit, mich an meine Zeit bei den Grenadieren der Schweizer Armee zurück zu erinnern...
Nach 4 Std. Wanderzeit erreichen wir lsone.

Mit dem Bus geht’s für mich zurück nach Bellinzona ins Nachtquartier, während Roli nach Hause fährt um seine B-777 nach Singapore zu fliegen. Seine Freitage sind vorbei und ich bin ihm für seine Unterstützung, insbesondere heute, zu grossem Dank verpflichtet.
24. Tag (lsone-Lugano)

Das Postauto bringt mich in der Früh zu meinem gestrigen Etappenziel lsone, von wo ich heute nach Lugano .laufen will. Diese Etappe sollte ich gut alleine bestreiten können ist sie doch wieder als «einfach» beschrieben im App. Doch schon bald muss ich auch hier feststellen, dass der ganze Weg als Bergwanderweg gekennzeichnet ist. Gott sei Dank aber erweist er sich meist als gut ausgebauter Wanderweg, kein Vergleich zum gestrigen Abschnitt von Bellinzona nach lsone.

Und hier, kurz vor Ende des TST, treffe ich auf die erste Person, welche mit demselben Ziel unterwegs ist, wie ich. Es ist eine Dame, alleine unterwegs von Pruntrut nach Mendrisio. Hut ab! Bis hierher habe ich allenfalls Spaziergänger, Tageswanderer und Ausflügler getroffen, aber nicht eine einzige Person auf dem TST. Umso mehr freut mich diese Begegnung. Unsere Wege trennen sich dennoch wieder, so rasch wie sie sich getroffen haben.

Die heutige Etappe zieht sich in die Länge. Die Aussicht dann aber von der Kapelle San Bernardo runter nach Lugano ist einmalig. Hier im Abstieg nach Comano sichte ich auch kurz die zweite Schlange auf meiner Wanderung durch die Schweiz. Diese ist schwarz, hat eine Länge von ca. einem Meter und verschwindet rasch im Gestein einer Trockenmauer, auf der sie sich gesonnt haben muss. Unzähligen Tieren durfte ich auf diesem Trail begegnen, einmal abgesehen von Kühen und den Berner Sennen- und Boxerhunden. Es waren dies Schottische Hochlandrinder, Wasserbüffel, Lamas, auffallend viele Falkenarten, Ziegen, Schafe, Rehe, Steinböcke, Blindschleichen, Echsen, eine kleine Kreuzotter, Mäuse, und viele andere Tiere mehr.

Nun erscheinen die ersten Häuser der Agglomeration Lugano. Ab hier gibt’s keine Wegmarkierungen mehr, welche einem den Weg zeigen und ich verlaufe mich viermal und bin drauf und dran, den Bus zum Bahnhof Lugano zu nehmen. Der Stolz in mir aber schreit nein und ich kämpfe mich regelrecht durch bis zum Ziel. 6:25 Std. habe ich diesmal gebraucht und ich bin ein wenig stolz auf meine Leistung.

Nun bleiben noch zwei Etappen von Lugano bis Mendrisio. Auch diese beiden Etappen will ich noch machen, obwohl in einem Teil der Literatur Lugano als Ziel des TST erwähnt ist.

Das Nachtessen im Croce Federale in Bellinzona, meinem Teilzeit-Headquarter im Tessin, ist einmal mehr verdient, ebenso das obligate Bier.
25. Tag (Lugano-Morcote)

Für die beiden letzten Etappen begleitet mich einmal mehr Jörg. Diese zweitletzte Etappe beginnt in Lugano-Paradiso mit der Fahrt per
Funiculare auf den San Salvatore. Die Aussicht von dort oben ist einmalig. Wir folgen einem meist sehr guten Wanderweg via der Ortschaft Carona in Richtung Morcote und freuen uns nebst der immer wieder eindrücklichen Aussicht auf den Lago di Lugano und die umliegenden Berge, v.a. auf eine gute Polenta im Ristorante «Alpe Vicagna».

Jörg kennt die Route bereits und ich kann die Navigation getrost ihm überlassen. Es macht Spass einfach mal hinterher zu laufen und sich um wenig bis nichts kümmern zu müssen. Jörg ist sehr trittsicher und führt mich, in für mich perfektem Tempo, Schritt für Schritt näher zu meinem Ziel.

Die «Alpe Vicagna» wird bereits seit längerem per Wegweiser und lnfotafeln angekündigt und die Vorfreude auf Polenta mit Steinpilzen wird grösser und grösser. Bewusst lassen wir unser Picknick aus, um dann ja genügend Appetit zu haben. Endlich kommt die Gastwirtschaft in Sicht, aber wir sehen nicht ein einziges Auto auf dem grossen Parkplatz neben an. Unsere Befürchtung bewahrheitet sich - die Beiz ist geschlossen! Nun gibt's halt ein Picknick auf der leeren Terrasse des Restaurants. Die mitgebrachte Salami schmeckt trotzdem hervorragend, die Aussicht dabei einmalig!

Der Abstieg nach Morcote ist wohl steil, aber dank hervorragend ausgebautem Weg rasch und einfach zu begehen.

3:00 Std. hat diese schöne Wanderung gedauert. Ich bin versucht, Jörg vorzuschlagen, die nächste und letzte Etappe auf meinem Weg durch die Schweiz, direkt an zu hängen, doch Morgen ist ja auch ein Tag und das gute Wetter soll ja bestehen bleiben.
26. und letzter Tag (Morcote-Mendrisio)

Diese letzte Etappe beginnen wir bei der Talstation der Bahn, welche uns ein Stück weit in Richtung Monte San Giorgio bringen soll. Doch leider fährt die Bahn heute, aus welchen Gründen auch immer, nicht. Somit ist ein längerer Anstieg zu bewältigen. Dieser Anstieg eignet sich dennoch hervorragend zum Aufwärmen, die reifen Kastanien am Boden zu sammeln und um sich zu verlaufen! Ja, bloss einmal an einer Weggabelung nicht aufgepasst und wir finden uns plötzlich auf dem ViaGottardo, der Nationalen Route 7, wieder. Ein Blick auf die App zeigt uns, dass sowohl Route 2 (TST), als auch dieser ViaGottardo nach Mendrisio führt und so folgen wir dieser alternativen Strecke bis Meride, wo sich beide Wege wieder treffen. Auch diese Wegführung, folgt man ihr genau, führt über zahlreiche «Flagellantenwege». Auf etlichen Abschnitten kann problemlos auf dem Weg, bzw. der Strasse geblieben werden, diese kurzen Abstecher in Wälder und Felder überlassen wir Anderen!

Ab Meride folgen wir aber wieder stur der Wegmarkierung des TST, ich will ja schliesslich den TST auf offizieller Route beenden.

In Meride legen wir auf dem TST unsere letzte Rast ein. Auf der Bank vor einer kleinen Kapelle mit schöner Aussicht vertilgen wir unser letztes Tessiner Salametti. Zur Feier des Tages gibt’s heute zum Dessert Amarettis, den Café dazu müssen wir uns denken. Ebenso auslassen tun wir den Gang ins Fossilienmuseum von Meride, welches von Mario Botta im Jahre 2012 erbaut worden ist. Aufgeschoben ist ja bekanntlich nicht aufgehoben und so begeben wir uns auf unseren allerletzten Weg hinunter nach Mendrisio, dem eigentlichen Ziel des TST. Von weitem erkennen wir den Bahnhof, den wir nun fixieren und nicht mehr aus den Augen lassen. Einfacher gedacht als gemacht, denn eine Baustelle um den Bahnhof verhindert ein direktes Anpeilen des Zieles und es bedarf einer letzten Anstrengung, den Bahnsteig in Mendrisio nach genau 4 Std. zu erreichen.
GESCHAFFT!

Ich möchte mich an dieser Stelle bei all denen bedanken, die mich bei diesem Unterfangen unterstützt, begleitet und beraten haben.
Danken möchte ich insbesondere meiner lieben Margrit und meiner ganzen Familie. Sie unterstützen mich bei jedem meiner Vorhaben mit Verständnis und viel Liebe.

Jörg und Roland: Euch danke ich von Herzen für Eure Begleitung auf den Bergwanderwegen. Ihr habt einen wesentlichen Beitrag zum Gelingen dieses Abenteuers beigetragen!

Danken möchte ich aber auch all jenen, die an der Erstellung des TransSwissTrails mitgearbeitet haben, sei es in der Realisierung,.Markierung, Erstellung der App usw. Ihr habt den Grossteil der Planung übernommen und ermöglicht uns Wanderer dieses schöne Erlebnis.
DANKE!

Ach ja: Fünf Kilos Lebendgewicht hab ich unterwegs auch noch verloren ; -)
Hannibal marschierte mit seinen Elefanten über die Alpen und Ludwig Hofmaier, bekannt aus der TV-Sendung «Bares für Rares», lief auf seinen Händen von Regensburg nach Rom, da kann doch eine Durchwanderung der Schweiz von Nord nach Süd auf gut signalisierten Wanderwegen nichts Aussergewöhnliches mehr sein?
Ausserdem bin ich seit kurzem pensioniert und habe nun vermehrt Zeit und Musse, meine To-Do-Liste ab zu bauen. Der Trans Swiss Trail (TST) soll es sein! Nicht in fernen Jahren, sondern jetzt!

Dank der umfangreichen Dokumentation dieser Route im Internet, kann ich mir grosse eigene Recherchen bezüglich der Route ersparen und mich auf Zeitplanung und Zusammensetzung der Ausrüstung konzentrieren.

Meine vorhandene Wanderausrüstung ist schon alt, taugt für diesen Trip nicht mehr und soll ersetzt werden.
Rucksack (Grösse: 40+10), leichte Regenjacke und Wanderhosen, dann Unterwäsche, Jacke und Socken aus Merinowolle, sowie Wanderstöcke müssen neu erworben werden. Einzig die alten Wanderschuhe will ich nicht ersetzen. Diese sind leicht, in passablem Zustand und v.a. eingelaufen. Zu präsent sind mir noch die schmerzenden Füsse in der Rekrutenschule von damals!

Meine Entscheidung, die ersten paar Etappen als Testlauf zu absolvieren, hat sich als weise erweisen. An vier Tagen im Mai 2017 kann ich Erfahrungen bezüglich Ausrüstung, Wandertempo, Ernährung und Übernachtungsmöglichkeiten sammeln. Die so gemachten Erfahrungen sollen mir helfen, die restlichen Etappen, welche ich dann von Mitte August bis Mitte September durchführen werde, ohne nennenswerte Probleme zu bewältigen.

Es gilt anzumerken, dass ich untrainiert bin und ein paar Kilos mehr als das Idealgewicht auf die Waage bringe. Mein einziger «Sport», den ich in den letzten paar Jahren betrieben habe, beschränkte sich auf ausgedehnte Spaziergänge.
1. Tag (Pruntrut-St.Ursanne)

Heute regnet es auf meiner Fahrt vom Aargau zu meinem Startort in Pruntrut wie aus Kübeln. Gemäss Wettervorhersage sollte sich aber ab Mittag ein kräftiges Hochdruckgebiet über der Schweiz ausbreiten und schönes und trockenes Wanderwetter bringen und tatsächlich kann ich meine ersten Gehversuche bei kühlem aber trockenem Wetter in Angriff nehmen. Die Worte «Vöu Spass de!» des jungen Schülers bei meiner Abreise vom Wohnort, werden mich während der ganzen Wanderung begleiten. Sie kamen richtig von Herzen, nachdem ich dem Jungen auf dessen Fragen hin, von meinem Vorhaben erzählt habe. Auch die Wünsche «drum bun»; von Melanie in Rumänischer Sprache, finden in den nächsten Tagen einen speziellen Platz in meinem Herzen.

Die Nationale Route Nummer 2 ist schon ab dem Bahnhof Pruntrut gut ausgeschildert. Dies sollte mit wenigen Ausnahmen bis Mendrisio auch so bleiben. Meine anfänglich zahlreichen Kontrollen auf der SchweizMobil-App, ob ich auch wirklich noch auf dem richtigen Weg bin, werden dann von Tag zu Tag zwar seltener, ganz davon ablassen kann ich dann aber bis zur letzten Etappe trotzdem nicht.

Diese ersten Kilometer meines Abenteuers geniesse ich denn auch in vollen Zügen. Was verbirgt sich hinter dem nächsten Rank? Was erspähe ich vom nächsten Hügel? Die weiten, gelben Rapsfelder verströmen ihren einzigartigen Duft, Lerchen trällern hoch oben ihren Gesang. Mauersegler kreischen um die Wette - ich wähne mich im Paradies. Ich wandere alleine, so kann ich Tempo und Pausen selber bestimmen. Kann meinen Gedanken ungehindert nachgehen. Diese Wanderung wollte ich aus eben diesen Gründen alleine durchführen, dies war mir von Anfang an klar.

Der Boden war vom vorausgegangenen Regenwetter stark aufgeweicht und rutschig und der letzte Abstieg hinunter nach St. Ursanne sollte sich dann auch als einer der anstrengendsten Abschnitte des TST erweisen. Statt der geplanten knappen 5 Stunden benötigte ich fast deren 7!
Ich war jedenfalls sehr glücklich in St. Ursanne ein gepflegtes Hotel («Demi Lune») mit ausgezeichneter Küche vorzufinden.
2. Tag (St.Ursanne-Montfaucon)

Nach einer geruhsamen Nacht und einem wunderbaren und reichhaltigen Frühstück geht’s am nächsten Tag weiter in Richtung Soubey.
Die Strecke entlang des Doubs entpuppt sich als eine wunderbare Etappe: das Vogelgezwitscher ist so laut, dass es teils sogar das Rauschen des Flusses übertönt. Blühende Wiesen konkurrieren mit dem zarten Grün der Bäume.

Einzig die zahlreichen Warntafeln, welche die Wanderer auf Mutterkühe mit ihren Kälbern aufmerksam machen, können auf die gute Stimmung drücken. Tatsächlich - nach wenigen Hundert Metern die erste Kuh Herde, mitten auf dem schmalen Wanderpfad zwischen Flussufer und steil ansteigender Weide! Eine ihr Kalb verteidigende Mutterkuh will ich um Alles in der Welt nicht provozieren, doch umkehren will ich auch nicht. Es bleibt mir deshalb nichts anderes übrig, als einen weiten Bogen um die Kuh Herde zu machen. Die friedlich wiederkäuenden Viecher jedenfalls bleiben schön dort wo sie sind und lassen mich in Ruhe.

Ich sollte aber schon bald eine weitere Prüfung zu bestehen haben: «Attention Taureaux» steht nun auf einer Warntafel einer nächsten Weide.
Da ich weit und breit keinen Stier auf dem Pfad sehe, setze ich meine Wanderung locker weiter. Doch kaum um die nächste Kurve gebogen, erspähe ich am Ende der Weide, direkt auf dem Pfad, eine allein stehende Kuh, oder ist es etwa ein Stier? Etwas Grosses hängt dem Tier zwischen den Hinterbeinen? Euter oder Spanische Nierli? Freund oder Feind? Mit klopfendem Herz wandere ich weiter. Dieser Pfad scheint noch enger als vorhin bei den Mutterkühen, die Weide noch steiler ansteigend... Endlich kann ich das Corpus Delicti ansprechen und eindeutig als Euter ausmachen, und meine Anspannung weicht einer grossen Erleichterung. Und diesmal ist es die Kuh, welche mir Platz macht und mir den sicheren Ausweg aus dieser Situation ebnet. Es soll dies nicht die letzte unliebsame Begegnung mit Tieren bleiben...

Kurz vor dem Tagesziel Soubey fühle ich mich zu fit, um jetzt schon ein Nachtquartier aufzusuchen und ich mache mich an den Aufstieg in Richtung Franches Montagnes. Dabei folge ich der Autostrasse nach Montfaucon und weiche somit von der offiziellen Route des TST ab. Diese Strasse ist wenig befahren und bietet mir die Möglichkeit rasch vorwärts zu kommen.

Weiter nach Saignelegier will ich an diesem zweiten Tag nicht mehr und so beschliesse ich, mir in Montfaucon ein Nachtquartier zu suchen und finde dieses in der «Auberge de la Gare». Einfache Zimmer, gutes Fondue - was will man mehr nach 6:45?
3. Tag (Montfaucon-Renan)

Bei schönstem Wetter geht es heute über die Franches Montagnes in Richtung Mont Soleil. Ich lasse Saignelegier rechts liegen, folge ausgezeichneten Wanderwegen bis nach les Emibois, wo ich wieder auf den TST stosse.
Lichte Wälder und weite Pferdeweiden wechseln sich ab. Die gleissende Sonne an einem tief blauen Himmel, sowie das Rauschen des hier auf über 1000 m. ü. M. stetig wehenden Windes in den Baumwipfeln, tun das Übrige für eine unvergleichliche Stimmung.

Der letzte Anstieg zum Mt. Soleil ist zwar steil und anstrengend, doch oben angekommen entschädigt eine atemberaubende Aussicht rüber zum Chasseral, aufs Mittelland und in die Alpen für die Anstrengungen.
Oben bietet sich mir die Möglichkeit, Technikern zuzuschauen, wie sie mit Hilfe einer mit Kamera ausgerüsteten Drohne die einzelnen Blätter des riesigen Windrades inspizieren. Dieses Windrad gehört zur aktuell grössten Anlage in der Schweiz für erneuerbare Energien.

Zur Schonung meiner Knie benutze ich für den sehr steilen Abstieg nach St. lmier die Funiculaire. Mit Entsetzen muss ich wenige Tage nach meiner Durchwanderung von St. lmier von der Beinahe Katastrophe erfahren, der das Städtchen nur knapp entgangen ist.

Am Mont Soleil haben sich mehr als 600 Meter Leitungsrohre selbständig gemacht und sind nach St. lmier runter gedonnert und haben dabei 30 Autos beschädigt. Personen kommen wie durch ein Wunder nicht zu Schaden.

Auch hier in St. lmier, dem von schweizmobil.ch vorgeschlagenen Etappenziel, fühle ich mich noch nicht reif fürs Übernachten und ich beschliesse noch ein paar Kilometer bis Renan an zu hängen.

Hier suche ich eine Übernachtungsmöglichkeit und finde diese im «Le Batiment»; einer ehemaligen Pferdekarawanserei aus dem 17. Jahrhundert. Für wenig Geld gibt’s dort ein einfaches Zimmer im Estrich und ein Frühstück. Mein WunschhoteI «Cheval blanc» im Zentrum des Dorfes wurde zu Eigentumswohnungen umgebaut und steht für Übernachtungen leider nicht mehr zur Verfügung.
4. Tag (Renan-Neuenburg)

Auf den heutigen Nachmittag sind Gewitter angesagt und ich mache mich deshalb schon früh auf die Socken. Das Ziel von heute ist Neuenburg, es dürfte ein anstrengender Tag werden. Bei angenehmen Temperaturen komme ich zügig voran und folge stets der immer noch sehr gut beschilderten Wegstrecke. Wald, Wiesen und gelb leuchtende Rapsfelder wechseln sich ab. Ich kann Rehe beim Äsen beobachten und bei einem Modellflugplatz einer eindrücklichen Vorführung mit einem Modellhelikopter beiwohnen.

Es ist Luxus pur, sich für solche «Nebensächlichkeiten» wie Flugvorführungen von Modellflugzeugen, dem Beobachten von Rehen, einem Schwatz da und einer Verweilung dort, Zeit nehmen zu dürfen.
Zeit haben, sich Zeit nehmen dürfen - eine wertvolle Erkenntnis als frisch Pensionierter!

Wurde ich die letzten Tage mit zahlreichen, überaus freundlich und von Herzen kommenden «Bonne Route», oder einem «Bon Courage» begleitet, so änderte sich diese Gepflogenheit schlagartig beim Betreten von Neuenburger Stadtgebiet.
Meine selbstverständlichen Grüsse werden nicht nur nicht erwidert, sondern gar nicht erst wahrgenommen. Der Unterschied vom ländlichen Jura zum städtischen Neuenburg ist auffallend. Es mag aber auch durchaus sein, dass ich an diesem vierten Tag, müde und unrasiert wie ich daher komme, bei meinem Einmarsch in Neuenburg, schlicht Angst und Schrecken verbreite.

Nach knapp sechs Stunden erreiche ich den Bahnhof von Neuenburg. Mein Testlauf ist zu Ende. Für diese ersten sechs Etappen habe ich insgesamt vier Tage gebraucht. Mitte August bis Mitte September will ich die restlichen 26 Etappen in Angriff nehmen. Dies mit weniger Kleider im Rucksack, anderer Zwischenverpflegung, aber im Wissen, ansonsten eine sehr praktische Ausrüstung mir zugelegt zu haben.
5. Tag (Neuenburg-Murten)

Es ist Mitte August und hier beginnt mein eigentlicher TST. Die ersten 4 Etappen, welche ich anfangs Mai gelaufen bin, waren ja bloss ein «Testlauf».

Mein leicht anders zusammengestellter Rucksack wiegt nun inkl. ein Liter Flüssigkeit und Proviant elf Kilogramm, was sich zu Beginn recht schwer anfühlt, von Tag zu Tag aber leichter zu werden scheint. Die Zeit, welche ich ins pingelige Anpassen des Rucksackes investiert habe, war gut investiert.

Die schweren Trockenbananen, welche ich im Mai noch mit dabei hatte, habe ich durch extra leichte Schokoriegel, das Tuttifrutti durch einen frischen Apfel ersetzt. Und die drei Sandwiches reduzierte ich auf eines.
Nicht über Nacht trocknende Baumwollwäsche, oder Leibchen aus rasch unangenehm riechenden Kunststoffen, habe ich konsequent durch Produkte aus Merinowolle ersetzt.

Die Temperaturen in dieser Jahreszeit sind deutlich höher als noch im Mai. Ich werde also v.a. am Morgen wandern müssen, wenn die Luft noch angenehm kühl ist und sich die Cumulus-Wolke noch nicht .zur Cumulonimbus-Wolke entwickeln konnte.

Das Kursschiff bringt mich bei strahlendem Wetter über den Neuenburger See nach Cudrefin. Von weitem ist der Mont Vully sichtbar, ihn gilt es heute zu überqueren. Der Wanderweg führt auf ebener Strecke zuerst dem Neuenburger See, dann ein kurzes Stück dem Broyekanal mit seinen langsam daher gleitenden eleganten Yachten entlang, bevor es dann steil auf den Mont Vully geht. Glücklicherweise führt dieser Streckenabschnitt durch einen angenehm Schatten spendenden Wald.

Dieser Weg ist auf meiner Wander-App als «einfacher» Wanderweg klassifiziert. Dennoch gilt es an einer Stelle im obersten Bereich des Mont Vully, einen steilen Hang zu durchqueren und ich bin sehr froh um meine Wanderstöcke, die mir Halt und Sicherheit geben. Nicht auszudenken, wenn dieser Streckenabschnitt bei Nässe begangen werden muss. Ich beginne mir Gedanken zu machen: wenn diese Strecke als «einfach» angesehen wird, wie sehen dann die mit «mittel» klassifizierten Bergwanderwege aus? Eine Diskrepanz zwischen der Klassifizierung auf der SchweizMobil-App und der tatsächlichen Markierung der Wanderwege, werde ich später noch mehrmals feststellen müssen.

Mein Credo für diese Wanderung war, alleine wandern zu wollen. Es kommen mir aber Bedenken, ob ich auch Bergwanderwege alleine oder doch lieber zu zweit absolvieren will. Ich werde es im Auge behalten!

Die Rundsicht vom Mont Vully an diesem Prachtstag ist atemberaubend.
Ein Wohnmobil hat sich am obersten Punkt platziert und ich kann mir sehr gut vorstellen, mit welchem Gefühl diese Campierer ihren Abend - Apero geniessen werden, wenn alle Tagesausflügler schon längst wieder verschwunden sein werden.

Während des Abstieges durch die Rebberge macht sich bei mir auf einmal eine grosse Erschöpfung bemerkbar. Vor lauter Schifffahrt, Luxusyachten, steilem Anstieg und prächtiger Aussicht habe ich mir zu wenig Zeit für eine richtige Verpflegung und genügend Flüssigkeitsaufnahme genommen. Mitten in den Rebbergen muss ich mich ins Gras setzen und mir Zucker in Form eines Riegels und einem Süssgetränk zuführen. Und es dauert eine gefühlte Ewigkeit, bis ich mich im Stande fühle, den verbleibenden Weg nach Murten unter meine Füsse zu nehmen.

Erschöpft und glücklich erreiche ich Murten, wo ich im Hotel «Schiff» ein
gemütliches Zimmer beziehen und ein hervorragendes Nachtessen geniessen darf
- und dies direkt am Hafen von Murten. Während 4:45 Std. wanderte ich heute in drei Kantonen (NE/VD/FR).
6. Tag (Murten-Flamatt)

Ein wunderbarer, aber heisser Sommertag ist für heute angekündigt, deshalb verlasse ich den ruhig da liegenden Hafen mit seinen zahlreichen Enten, Schwänen, Möwen und Blesshühnern schon früh.

Es geht zuerst durchs ruhige noch verschlafene Städtchen Murten, wo ich mich in einer Bäckerei mit Proviant eindecke. Nach dem gestrigen Hungerast will ich vorsehen und ich nehme mir vor, in Zukunft konsequent alle 60 Min. eine Rast einzulegen um Flüssigkeit und Kalorien zu tanken. Bewährt haben sich in meinem Fall ein Schoko-Riegel mit dem man, was immer man anpackt, es zwar nicht besser, dafür länger kann und ein rotes Schweizer Sportgetränk. Dazu gibt’s in der Mittagsrast ein Sandwich und eine Frucht. Zusammen mit einem herzhaften und ausgiebigen Frühstück und einem ebenso ausgiebigen und vitaminreichen Nachtessen, komme ich kalorienmässig sehr gut über die gesamte Strecke.

War bis anhin fast täglich der Chasseral mein Wegbegleiter, so sind es ab heute Eiger, Mönch und Jungfrau. Stets aus einem anderen Blickwinkel und in einem anderen Licht zu betrachten.

Beim Zusammenschluss von Saane und Sense in Laupen, lege ich meine Mittagsrast ein. Eigentlich wäre die heutige Etappe schon fast geschafft, aber einmal mehr ist es mir für die neuerliche Suche nach einer Übernachtungsmöglichkeit noch zu früh und so wandere ich gemütlich der Sense entlang weiter bis Flamatt.
Hier entschliesse ich mich spontan für das Hotel «Moleson». Obwohl das Hotel direkt unter einer Autobahnbrücke liegt, ist in der Nacht keinerlei Lärm zu hören und es schläft sich nach einer Wanderung von 6 Std 45 Min. und einem fantastischen Nachtessen ausgezeichnet.
7. Tag (Flamatt-Allmendingen)

Heute steht Bern auf dem Programm. Auf diesen psychologisch mir wichtigen Meilenstein freue ich mich schon seit Tagen. In der Hauptstadt durfte ich während mehrerer Jahre wohnen und arbeiten. Die Innenstadt mit ihren Lauben und Gassen kenne ich deshalb gut und ich werde die Stadt nicht zu Fuss, sondern mit den ÖV durchqueren.

Nach kurzweiligen drei Stunden treffe ich bereits in Köniz ein. Dort steige ich in die Buslinie 29, welche mich in wenigen Minuten nach Wabern bringt. Beim Tierpark Dählhölzli linke ich mich wieder auf den TST ein, welcher nun bis zum Flughafen Belpmoos der renaturierten Aare folgt - eine wunderbare Teilstrecke!

Hier am Flughafen wäre ich nun eigentlich reif für ein Nachtlager, doch das Hotel meiner Wahl ist geschlossen und andere Übernachtungsmöglichkeiten befinden sich zu weit weg vom Trail und ich beschliesse einmal mehr, die Wanderung länger als eigentlich geplant, fort zu setzen.

In Allmendingen finde ich nach langen sechs Stunden im Hotel «Hirschen» die ersehnte Unterkunft. Auch hier saubere, ruhige Zimmer, dazu eine gute Küche zu absolut fairem Preis.

Absolutes Highlight von Heute: ein mir entgegen kommender rückwärts laufender Wanderer mit Rucksack!
8. Tag (Allmendingen-Schafhausen)

Das Frühstück heute fällt etwas einfach aus, doch das von der Wirtin liebevoll im Kühlschrank deponierte Sandwich und Jogurt und der Kapsel Café aus dem aufgestellten Automaten reichen für einmal vollkommen. Das Znüni heute wird dafür ein bisschen reichhaltiger ausfallen.

Heute geht’s bei prächtigem Sommerwetter so richtig ins Emmental, mit all seinen Tiefs und Hochs - im wahrsten Sinne des 'Wortes.
In diesem weltbekannten Landesteil sind unzählige Eggen zu erklimmen. Dies mit dem Wissen, dass die gemachten Höhenmeter in keinster Weise an die Höhenmeter angerechnet können, welche zur Überwindung der Alpen nötig sind. Nein, jeder im Emmental erstiegene Höhenmeter wird unweigerlich früher oder später durchs Hinuntersteigen in die Chrächen wieder vernichtet.
Die Aussicht allerdings von diesen Högern ist an schönen Tagen atemberaubend!.

Hochs erlebt man auch in der Emmentaler Gastronomie. Jedes, noch so kleine, Emmentaler Dorf bietet zahlreiche Übernachtungsmöglichkeiten. Diese Landgasthöfe warten nicht nur mit komfortablen Zimmern auf, sondern immer auch mit einer hervorragenden Küche.

Tiefs erwarten einen aber auch hoch oben. Ich kann mich nicht erinnern, von wie vielen frei laufenden Hunden ich auf einsamen Höfen angebellt und auch angegriffen worden bin. Es waren deren unzählige! Auch Kühe hatten es auf mich abgesehen. Dies nicht etwa in der Nähe eines Hofes, wo man Zuflucht hätte suchen können - nein auf offener Weide, meilenweit von irgendeiner Menschenseele entfernt.
Stossgebete, meine Wanderstöcke und tote Hühner haben mich vor dem Gröbsten bewahrt.

Ja, ein totes .Huhn hat mich einmal vor den Fängen eines Boxerhundes gerettet. Dies kam so: nach einer längeren Wegstrecke im typischen Emmentaler Hoch- und Tiefland gelangte ich zu einem Gehöft, an einer asphaltierten Strasse, als wie aus dem Nichts ein Boxer hinter einer Hauswand auf mich losstürmte und mich zu attackieren drohte.

Obwohl ich bei jedem Hof meine Augen und Ohren weit offen halte, um angreifende Hunde früh ausmachen zu können, hat mich dieser Hund heftig erschreckt und Angst machte sich in mir breit. Mit beiden Wanderstöcken konnte ich das Biest auf Distanz halten und mich rückwärts bewegend, wollte ich mich aus dieser Situation retten als ich auf etwas trat, das mich fast zum Stolpern brachte. Ich konnte es nicht glauben: mitten auf der Strasse lag ein totes Huhn. Es musste von dem Auto überfahren worden sein, von dem ich mich eben noch mit einem Satz ins Gras selbst habe retten können. Dem armen Huhn hat es offenbar hierzu nicht mehr gereicht.

Dieses tote Huhn war nun meine Rettung: Mit einem meiner Wanderstöcke zeige ich dem immer noch wild kläffenden Boxerhund dieses Huhn und offenbar war dieser Hund ab sofort nur noch diesem Huhn angetan. Ich jedenfalls konnte mich nun rückwärts laufend langsam aber sicher aus dem Staub machen. Und ab jetzt habe ich auch vollstes Verständnis für rückwärts laufende, mir entgegenkommende Wanderer.

Mein Etappenziel heute ist, nach 6:30 Wanderzeit, Schafhausen, einem kleinen Emmentaler Dorf. Ein gemütlicher Landgasthof mit grossen, ruhigen Zimmern ist im «Rössli» schnell ausgemacht. Und auch hier gibt’s ein wunderbares Nachtessen.
9. Tag (Schafhausen-Langnau i.E.)


Alles der Emme folgend ist die heutige Etappe leicht und in knapp 4 Stunden rasch durchwandert.

Alles andere als leicht und rasch gestaltet sich heute ausnahmsweise die Suche nach einer Übernachtungsmöglichkeit.
Hatte ich bis anhin nie das geringste Problem diesbezüglich, so ergibt die Nachfrage im ersten in Frage kommenden Hotel in Langnau, dass alle Zimmer besetzt seien. Die telefonische Nachfrage im nächsten Hotel ergibt dasselbe Ergebnis. Ich will nicht weiter Zeit verlieren mit der Hotelsuche und entschliesse mich, mit der SBB nach Signau zu fahren. Dort finde ich einmal mehr schon rasch im «Zum roten Thurm» einen ausgezeichneten Landgasthof.

Eine gute Übernachtungsmöglichkeit ist mir auf dieser Wanderung sehr wichtig. Neben einem ruhigen Zimmer sind mir die Nähe zum TST, ein bequemes Bett und der Möglichkeit der guten Verpflegung sowohl beim Nachtessen, als auch beim Frühstück, sehr wichtig. Dies alles hat zwar seinen Preis, doch Jugendherbergen oder B&B, möglichst noch mit Familienanschluss, sind nicht so mein Ding.
Da ich meist vor acht Uhr morgens schon unterwegs bin, erreiche ich mein Nachtquartier oft bereits gegen 13/14 Uhr. Somit bleiben mir genügend Zeit, für die Körperpflege und das Waschen meiner Wäsche. Im Militär hiess dies PD/ID.

Die restliche Zeit des Nachmittags verbringe ich meist mit der Planung der nächsten Etappe, dem Durcharbeiten meiner Notizen und Fotos auf dem Smartphone und v.a. auch mit Relaxen und Nichtstun. Auch nach längeren Tagesetappen kann ich mich so bestens für den nächsten Tag vorbereiten und erholen. Zeit um all die angegebenen Sehenswürdigkeiten zu besuchen, finde ich nicht. Die Erholung und Vorbereitung der nächsten Etappen haben in meinem Fall Vorrang.
10. Tag (Langnau i.E.-Eggiwil)

Nach einem ausgiebigen Frühstück in gepflegtem Ambiente fahre ich mit der SBB zurück zum gestrigen Etappenziel in Langnau.
Vorsichtshalber komplettiere ich in diesem grösseren Ort meine Reiseapotheke. Insbesondere gegen allfällige Blasen oder Wespenstiche will ich besser gewappnet sein.

Nach dem Durchzug einer sehr aktiven Kaltfront in der Nacht ist die Lufttemperatur heute mit 17 Grad auf 1000 m. ü. M. angenehm frisch.
Auch heute stehen wieder etliche Eggen und Chrachen auf dem Programm. Jeden erklommenen Höhenmeter gilt es rasch möglichst zu vernichten, um dann sofort wieder den nächsten Hoger in Angriff zu nehmen. «Emmental - Du bist gnadenlos!»

Im Aufstieg zum Hegenloch, neben dem Urnerloch einem der ältesten Tunnel der Schweiz, braust ein junger Bursche mit einem auffällig bemalten Toyota an mir vorbei. Was um Gottes Willen sucht der hier oben? Ich dachte in dieser Gegend sei ich zur Zeit das einzige menschliche Wesen? Eine Staubwolke hinter sich herziehend, verschwinden die beiden hinter der nächsten der zahlreichen Kurven.
Hinter dem eindrucksvoll in die Nagelfluh gehauenen Tunnel offenbart sich mir des Rätsels Lösung.

Der Bursche ist gerade daran, sorgfältig den Staub von seiner Geliebten zu wischen um diese dann von allen Seiten abzulichten.
Gespannt folge ich den Ausführungen des stolzen Besitzers auf meine zahlreichen Fragen und ich lasse mich in die Geheimnisse des Autotuning’s einweihen. Da geht es um Auspuffanlagen, Body Kits, Interieur und im vorliegenden Falle insbesondere um die HiFi-Anlage im Gepäckraum. Als Musikinteressierter will ich natürlich nicht bloss Zahlen hören, sondern die Anlage auch in Action erleben. Was nun folgt ist eine Darbietung der anderen Art: Um die erforderliche Wattleistung erreichen zu können, muss zuerst der Motor des Boliden gestartet werden. Und dann gibt’s eine Performance wie ich sie noch selten erlebt habe! Denn Diskomusik ertönt nun in der Stärke eines mit Nachbrennern startenden F/A-18. Die Wucht mit der die Musik, reflektiert von der Nagelfluhwand, das eine und via Tunnel das daneben liegende Tal beschallt, ist fulminant! Ein Konzert der Superlative in the middle of nowhere!

Ein steiler Abstieg bringt mich zurück in die Realität bzw. nach Eggiwil, wo ich im Hotel «Hirschen» eine zweckmässige Unterkunft finde. Zum ersten Mal muss ich fürs Nachtessen einen anderen Gasthof im Dort aufsuchen, da das Restaurant des «Hirschen» an diesem Tag geschlossen war.

Heute bin ich während vier Stunden, gewandert und habe dabei die 200-Kilometermarke überquert. Ohne die kleinste Blase oder sonstige Verletzung erlitten zu haben - ich bin dankbar.
11. Tag (Eggiwil-Kemmeribodenbad)

lch bin nicht traurig das Auf und Ab, die Hochs und Tiefs des Emmentals mit der heutigen Etappe abschliessen zu dürfen. Um Missverständnisse gar nicht erst aufkommen zu lassen: das Emmental ist grossartig! Die Landschaften, die Aussichten, die Gasthöfe mit der ausgesprochenen Gastfreundschaft - einzigartig! Was ich aber nicht mehr vermissen werde, .sind die stotzigen Aufstiege mit den unweigerlich folgenden steilen Abstiegen. Die habe ich nun zur Genüge erlebt!

Heute also die letzte Etappe im Emmental, das Ziel «Kemmeribodenbad» Ich habe schon viel gehört von diesem schönen Gasthof und möchte es heute unbedingt bis dorthin schaffen und dort auch übernachten. Um ganz sicher ein Zimmer zu kriegen, reserviere ich zum ersten Mal auf dieser Wanderung zum voraus.

Heute begleiten mich auffallend viele Geräusche. Neben den gewohnten Kuhglocken, sind es die zirpenden Heuschrecken, der stetige Wind in den hohen Baumwipfeln, ein Kirchengeläute aus einem Emmentaler Dorf oder das Brummen von einigen Sportflugzeugen am Himmel.
Die Aussicht vom Wachthubel ist am heutigen Tag schön, wenn auch nicht atemberaubend, wie an manchen Stellen beschrieben. Die Wolken sind zu zahlreich und erlauben keine Fernsicht.

Aus welchem Grund auch immer, kommen mir bei einer Rast auf einer Weide meine früheren zahlreichen Alpenüberquerungen in kleinen Sportflugzeugen in den Sinn und eine innere Stimme sagt mir spontan, dass ich am heutigen Tag keine Alpenüberquerung wagen würde. Wieso ich dabei ausgerechnet an den Sanetschpass denken muss, den ich jeweils benutzt habe um vom Berner Oberland ins Wallis zu gelangen? Ich weiss es nicht.

Ich bin dann zutiefst erschüttert, als ich in der Tagesschau am Abend vom Absturz eines Kleinflugzeuges am Sanetschpass am heutigen Tag erfahren musste.

Heute folge ich einmal mehr genau der offiziellen Streckenführung des TST und muss dabei feststellen, dass dieser offizielle Weg nicht immer der für mich sinnvollste ist.
An einer Stelle der heutigen Etappe zweigt der TST von der asphaltierten und wenig befahrenen Strasse ab auf einen steilen Pfad durch ein Waldstück, um wenige Hundert Meter weiter oben auf dieselbe Strasse zurück zu finden. Der Zufall will es dass auf eben dieser Abkürzung zwei Bäume quer zum Pfad liegen, die im steilen Gelände nur mit viel Mühe und Zeit über-, bzw. unterklettert werden können. Ich nehme mir ab sofort vor, nicht mehr stur der Wegmarkierung zu folgen, sondern mich zuerst auf der Karte über Sinn und Unsinn solcher «Abkürzungen» zu informieren. Dies gehört ab sofort neu zu meinen Vorbereitungsarbeiten am Vortag. Ich bin ja schliesslich nicht auf einer Pilgerreise um Busse zu tun.

Nach 5 Stunden erreiche ich recht erschöpft ob der vielen Höhenmetern Schangnau und ertappe mich dabei, abzuwägen, allenfalls den Bus für die noch anstehenden 2 Std und 20 Min. weiter nach Kemmeribodenbad zu nehmen. Doch ich weiss, dass ich mir eine solche Erleichterung nie würde verzeihen können und nehme ohne Pause einzulegen den letzten Teil dieser Elefantenetappe in Angriff.

Nach wirklich langen 7:20 erreiche ich das Kemmeribodenbad, wo man mich überaus freundlich empfängt und mir sogar ein Upgrade in ein Superior Zimmer offeriert, ich hätte ja schliesslich einen anstrengenden Tag gehabt. Das Nachtessen ist hervorragend und ich entschliesse mich spontan, hier im Kemmeribodenbad eine zweite Übernachtung anzuhängen und mir meinen ersten Ruhetag zu gönnen.
12. Tag (Ruhetag im Kemmeribodenbad)

Es bestand in meiner Planung nie die Absicht, hier einen Ruhetag einzulegen. Nach der Marathonetappe vom Vortag aber bekommt mir dieser freie Tag umso besser.
Wäsche waschen, diesmal inkl. Wanderhosen, die weiteren Etappen planen, einige Mails beantworten und v.a. ausspannen. Ich verlasse das gemütliche Zimmer praktisch nur zwecks Verpflegung im feinen Restaurant.

Konnte ich auf den ersten elf Etappen einfachen Wanderwegen folgen, welche meist mühelos alleine bewältigt werden konnten, so folgt der TST auf dem Weg durch die Alpen immer mehr auch Bergwanderwegen. Dieser Tatsache war ich mir bis dato gar nicht bewusst, glaubte ich doch es handle sich, wie in der SchweizMobil -App zu Beginn erwähnt, um einfache Wanderwege. Erst beim Beschrieb der einzelnen Etappen wird auf das Vorhandensein von Bergwanderwegen verwiesen. Meine Nachforschungen über die Definition von Bergwanderwegen im Internet lassen mich nun aber daran zweifeln, den gesamten TST alleine begehen zu wollen. Es ist die Rede von «steil», «unwegsam», «mit Seilen gesichert» usw. Welchem meiner für diese Wanderung wichtigen Grundsätze will ich Priorität geben, demjenigen, alles alleine durchwandern zu wollen, oder demjenigen: «Safety first»?

Mein Berufsleben war von dem einen Grundsatz geprägt: «Safety First!» Und ich will diesem Grundsatz auch hier auf dem TST treu bleiben und entschliesse mich, sämtliche mit «Bergwanderweg» bezeichneten Streckenabschnitte nur in Begleitung zu durchwandern. Die Strecke Sörenberg­ Giswil, welche als erste Etappe über einen solchen Bergwanderweg führt, soll die einzige Ausnahme bleiben - zu kurz ist die verbleibende Zeit, eine Begleitung zu organisieren.
13.Tag (Kemmeribodenbad-Sörenberg)

Es herrscht auch heute traumhaftes Sommerwetter und frisch ausgeruht und immer noch hoch motiviert, nehme ich früh morgens die Etappe nach Sörenberg in Angriff. Heute also gelange ich vom hintersten Emmental ins hinterste Entlebuch.

Der leicht ansteigende Wanderweg bietet wildromantische Ausblicke auf Schrattenflueh und Hohgant. Dabei erfreuen ebenso der Duft von frisch geschnittenem Gras und gewendetem Heu, als auch das Gezirpe der vielen Heuschrecken und das Geschrei von Alpendohlen.
Aufgefallen ist mir aber auch ein entgegenkommender Rennvelofahrer, der offenbar vom asphaltierten Weg abgekommen zu sein scheint. Er trägt sein Vehikel auf der Schulter und stakst in seinen Veloschuhen, wie der Storch auf dem Salat, in Richtung Kemmeribodenbad.

Beim Salwideli verlasse ich den TST und bleibe auf der wenig frequentierten Strasse bis Südelhöhe und gelange nach kurzen drei Stunden nach Sörenberg.

Ein einladendes Touristenbüro im Dorfzentrum schreit geradezu danach, nicht selbst nach einer Unterkunft zu suchen, sondern sich beraten zu lassen. Eine sehr freundliche Angestellte schlägt mir denn auch ein paar Hotels vor, wobei mich das eine Angebot sofort überzeugt: das Erlebnis-Restaurant «Rossweid» biete wenige Zimmer mit Halbpension zu sehr erschwinglichen Preisen an. Und nicht nur die Bahn auf die Rossweid sei im Zimmerpreis inbegriffen, sondern auch die Bahn auf das Brienzer Rothorn! Gekauft!

Obwohl ich an diesem Tag offenbar der einzige Hotelgast auf der Rossweid bin, bereitet mir der Koch ein wunderbares 4-Gang-Menü zu. Ich fühlte mich auf dem gesamten TST in all den Gasthöfen stets gut bis sehr gut aufgehoben, doch mein Aufenthalt auf der Rossweid bleibt absolut unvergesslich - nur zu empfehlen!
14. Tag (Sörenberg-Sachseln)

Zu einem tiefen Schlaf auf der Rossweid beigetragen haben nicht nur die angenehm kühlen Temperaturen auf 1500 m. ü. M. sondern auch das nächtliche Kuhglockenkonzert - auch dieses im Übernachtungspreis inbegriffen.

Heute geht’s also zum ersten Mal auf einem Bergwanderweg vorwärts. Die mir nun bekannten Unterschiede zu einem Wanderweg flössen mir für den heutigen Tag etwas Respekt ein. Ist der Unterschied wirklich spürbar? Schaffe ich diesen Abschnitt alleine? Hätte ich doch nicht lieber warten sollen, bis ich eine Wanderbegleitung hätte auftreiben können?

Mit besonderer Vorsicht wage ich mich an diese Etappe. Wiederum traumhaftes Sommerwetter mit in dieser Höhe doch angenehmen Temperaturen. Die Wege sind trocken und wirklich problemlos zu begehen.

Der Aufstieg zum Fuss des Giswilerstocks ist abwechslungsreich, ebenso der Abstieg nach Giswil. Auch hier weiche ich ab und zu vom offiziellen TST ab und folge der an diesem Tag wenig befahrenen asphaltierten Strasse hinunter ins Tal. Ich merke, dass ich in schwierigem Gelände gerne auf bessere Wege oder Strassen ausweiche, sofern diese nicht oder wenig befahren sind. Auf solchen Abschnitten kann ich viel besser meinen Gedanken nachgehen oder mich an der Gegend und der Aussicht erfreuen. Zudem ermüde ich auf diesen Abschnitten, trotz der stets längeren Wegstrecke, weniger rasch.

Nach kurzweiligen, knappen 4:30 Std. erreiche ich Giswill und entschliesse mich im Hotel «Zollhaus» zu übernachten. Doch das Hotel ist heute geschlossen. Mh! Also wandere ich dem Seeufer weiter und versuche mein Glück irgendwo in Sachseln. Doch auch hier im Gasthaus «Bahnhof» bin ich falsch. Zimmer zum Übernachten gäbe es hier keine. Fündig werde ich dann aber nach genau 5:40 Std. im sehr gepflegten Hotel «Kreuz». Sehr charmante Zimmer, hervorragende Küche, wenn auch zu einem etwas höheren Preis, als ich dies bisher gewohnt war. Sehr empfehlenswert!

Fazit von dieser ersten Etappe auf einem Bergwanderweg - gutes Wetter und trockene Verhältnisse vorausgesetzt - durchaus machbar. Dennoch bleibe ich bei meinem Entschluss, Bergwanderwege ab heute nur noch zu zweit zu begehen. Am Abend starte ich bei Freunden und Bekannten einen entsprechenden Aufruf.
15. Tag (Sachseln-Stans)

Heute sind starke Gewitter auf den frühen Nachmittag angesagt, weshalb ich mich bereits vor acht Uhr bei schönstem Wetter auf den Weg mache. Den Umweg über Flüeli- Ranft lasse ich bewusst aus, kenne ich jene Gegend bereits von Mountainbike-Ausflügen. Zudem gibt mir diese Abkürzung einen Vorsprung auf die vorausgesagte Gewitterfront.

Hier in Sachseln verlasse ich deshalb den TST und folge wunderbar ausgebauten Wanderwegen bis nach Kerns und weiter bis ausserhalb Wisserlen, wo ich wieder auf den TST treffe. Auffallend oft in dieser Gegend zweigen, als Pilgerwege bezeichnete Pfade, vom markierten Wanderweg ab in Richtung irgend eines steilen Hogers, um teils wenige Hundert Meter später wieder auf den eben verlassenen Wanderweg zurück zu kehren. Solche Pilgerumwege - ich nenne sie mittlerweile «Flagellantenwege» - versuche ich wenn immer möglich zu vermeiden! Ich wiederhole mich, aber ich bin nicht hier um Busse zu tun, .sondern ganz einfach um unser wunderbares Land zu Fuss zu durchqueren.

Trotz des immer noch traumhaften Sommerwetters, konsultiere ich öfter als sonst meine Wetterradar-App. Tatsächlich kann ich die Vorderseite der Front bereits über dem Welschland ausmachen. Die ersten Cirren sind denn auch schon bald am westlichen Himmel sichtbar.

Nach genau 5 Std. erreiche ich den wunderschön gestalteten Dorfplatz in Stans und darf feststellen, dass dieser Platz förmlich von einladenden Hotels umsäumt wird. lch entscheide mich spontan für den «Engel» - eine gute Wahl, wie sich herausstellt. Günstige, einfache aber moderne Zimmer mit einer «Mini Beiz- Dini Beiz» Gewinnerbeiz. Kaum im Hotelzimmer die Wäsche gemacht, fängts draussen an zu stürmen und ich bin heilfroh, dieses Unwetter nicht irgendwo in der Natur aussitzen zu müssen.

Überhaupt sei an dieser Stelle erwähnt, dass ich auf meiner Wanderung bis heute keinen einzigen Regentropfen abbekommen habe. Immer nur trockenes, meist sehr warmes Sommerwetter! Die Gewitter fanden jeweils am Nachmittag oder in der Nacht statt.

Für den darauffolgenden Tag ist wiederum schönstes Sommerwetter angesagt und ich fasse spontan den Entschluss, morgen bis Beckenried zu wandern und dort das Kursschiff bis nach Flühlen .zu nehmen. Ich umgehe damit zwar eine Tagesetappe, aber diese Schifffahrt zählt zu den schönsten im Land und ausserdem kenne ich den Seelisberg zur Genüge aus meiner Jugendzeit.
16. Tag (Stans-Erstfeld)

Die Strecke von Stans nach Beckenried zieht sich doch etwas länger hin als vermutet und ich verpasse beinahe das Kursschiff, welches mich bei schönstem Sommerwetter nach Flühlen bringen soll.

Bei zu vielen Dingen musste ich stehen bleiben und staunen: Ich habe noch nie live eine Pilatus PC-24, den neu entwickelten Privatjet von PILATUS, gesehen. Dann die wunderbaren Villen am See in der Gegend von Beckenried. Selbst bei den offiziellen Abfallsäcken vor den Häusern kann ich mich verweilen. Was um Gottes Willen bedeutet das in weisser Farbe aufgedruckte «SUiBR!» auf den roten Kehrichtsäcken?

Die letzten Hundert Meter vor der Schiffsanlegestelle rennend erreiche ich noch knapp mein Kursschiff. Per Zufall darf ich diese Schifffahrt auf der «MS Diamant», dem neuesten Schiff der Schifffahrtsgesellschaft des Vierwaldstättersees, erleben. Dieses prächtige und sehr modern wirkende Schiff wurde erst diesen Mai 2017 in Dienst gestellt. Es handle sich um das erste klimaneutrale Kursschiff der Schweiz, wird stolz erzählt.

In der Gegend von Brunnen fallen die zahlreichen Wasserflugzeuge auf. Meine Recherchen ergeben, dass in Brunnen tatsächlich das Seaplane Meeting 2017 stattfindet. Ein Rundflug im Wasserflugzeug bei diesem Wetter, in dieser prächtigen Landschaft, muss wohl einmalig sein.

Viel zu kurz ist die Fahrt auf dem Vierwaldstättersee und wir treffen schon bald in Flühlen ein, von wo ich zügig meine Etappe nach Erstfeld fortsetze.

Mit dieser Wanderung von Flühlen nach Erstfeld beginnt etwas Neues. Es beginnt hier die Alpenüberquerung! Jeder erklommene Höhenmeter ist ein Höhenmeter dem Gotthardpass näher. Die Zeiten, wo jeder Höhenmeter möglichst rasch wieder vernichtet werden musste, wie dies im Jura und Emmental der Fall war, gehören bis Bellinzona zumindest der Vergangenheit an. Auch die Gegend hier ist anders: es sind hier im ReusstaI nicht unbedingt Aussichten, die den Reiz ausmachen, sondern es sind dies die von Menschenhand gebauten Kunstwerke wie Strassen, Wege·, Brücken, Kraftwerksanlagen oder Eisenbahnlinien. Auffallend aber auch der damit einhergehende Lärm von der Auto- oder Eisenbahn, oder auch Lärm der zahlreich in die Tiefe stürzenden Bäche oder von der wilden Reuss.

Ab hier sind auf Informationstafeln entlang des Wanderweges immer wieder interessante Details zum Gotthardpass nachzulesen. Erstfeld erreiche ich nach 3:30 Std., ab Flühlen gerechnet. Total sind heute also 5:30 Std. zusammen gekommen.

Im Hotel «Albert» finde ich eine einfache und zweckmässige Unterkunft. Leider erinnert mich mein Aufenthalt hier in Erstfeld an den tragischen Absturz eines Fliegerkameraden, der sich fast auf den Tag genau vor 19 Jahren in Sichtweite meines Hotels ereignet hat.
17. Tag (Erstfeld-Wassen)

Heute beginnt bei leicht bewölktem Himmel mein 17. Wandertag. Bisher immer noch ohne Regen und ohne die geringste Blasenbildung an den Füssen. Ich bin mir im Klaren, dass es ein grosses Privileg ist, solch eine Wanderung machen und über die nötige Gesundheit, Zeit und Musse verfügen zu dürfen. Ich verspüre täglich, eine grosse Dankbarkeit!

Je weiter südlich man der Reuss folgt, desto enger wird das Tal und die Strassen und Bahnlinien und Stromleitungen werden nicht weniger - das Resultat ist eine Konzentration von Interessantem und Spannendem, auf immer kleinerer Fläche.


Der perfekt markierte TST-
Wanderweg muss sich hier noch viel mehr dem Gelände anpassen, als noch im Jura oder Ernmental. Auf steilen, aber immer noch gut ausgebauten Wanderwegen, geht’s teils tief runter in eine Schlucht, um auf der anderen Seite mindestens so steil wieder rauf zu führen. Solche Schluchten dürfen ab und zu aber auch auf eigens erbauten Brücken einfach so überquert werden! Mit Hilfe von Tunnels können Felsvorstösse einfach so durchwandert werden... Wer sind diese Menschen, welche aII diese Wanderwege in den Berg gehauen haben?
Wieviel Schweiss und Blut hat sie das gekostet? Ich als Wanderer muss diese Wege und Brücken und Tunnels bloss noch begehen - nein, ich darf all diese Bauten begehen, einfach so!.

Und, es ist ja nicht nur dieser Wanderweg, der hier durchs wilde Reusstal führt, nein es kommen unzählige kleinere und grössere Strassen dazu, Autobahnen und Eisenbahnlinien mit ihren Tunnels und Viadukten! Diese Tatsache wird mir erst in diesem Reusstal so richtig bewusst, ich zolle all diesen unzähligen Arbeitern meinen allerhöchsten Respekt! Meinen nächsten Stau vor dem Gotthardtunnel werde ich ab sofort ganz anders wahrnehmen.

Der Weg führt an etlichen Stellen teils quer durch abenteuerlich angelegte Steinschlag-Auffangnetze. Drei Tage sind seit dem tragischen Bergsturz von Bondo vergangen und mich befällt ein äusserst mulmiges Gefühl, als ich diese Verbauungen durchquere.

Vom Weg, welcher öfters die Talseite wechselt, kann ich im Verlaufe des Tages mehr als einmal einen Autostau beobachten und tatsächlich bin ich in solchen Momenten rascher unterwegs gen Süden als die Automobilisten! Ein bisschen Schadenfreude ist nicht zu leugnen.

Heute sollte ich auch meinen vielleicht gefährlichsten Moment des ganzen TST erleben: irgendwo zwischen Silenen und Gurtnellen verläuft der Weg durch ein Tunnel, welcher hier auch von Autos benutzt werden kann. Das Innere dieses Tunnels ist stockdunkel, weil ohne Beleuchtung und wegen der Kurve,.den dieser Tunnel beschreibt. 'Wenn mir jetzt bloss kein Auto entgegen kommt', fährt es mir durch den Kopf. Doch mitten im Tunnel passiert, was unter keinen Umständen passieren darf: ich höre, dass ein Auto ins Tunnel einfährt und dies offenbar nicht zu langsam. Noch sehe ich den Wagen nicht, bin mir aber sofort bewusst, dass ich mich in einer äusserst gefährlichen Situation befinde. Der Tunnel ist zu schmal um mich an die Wand schmiegen und so das Auto vorbei lassen zu können. In dieser Situation bleibt mir nur die Möglichkeit, mich mitten auf dem Weg aufzubauen und mit den Armen zu fuchteln, in der Hoffnung dem Autofahrer so besser aufzufallen. Jetzt endlich tauchen zwei Scheinwerfer vor mir auf, welche mich blenden und es mir verunmöglichen, abzuschätzen, wie weit entfernt von mir das Auto ist. Ich erwarte den Zusammenstoss jeden Moment…

Endlich höre ich, dass das Auto bremst, der Autofahrer mich offenbar bemerkt hat. Dicht an die Tunnelwand gedrückt, lasse ich dieses und ein zweites Auto passieren dann strauchle ich, erneut blind von den grellen Scheinwerfern, der Tunnelwand folgend ins Freie. Das war verdammt knapp und ich lass ein kurzes aber intensives Stossgebet gegen Himmel steigen. Als ich endlich zum Tunnel raus komme, entdecke ich beim Eingang einen Lichtschalter, mit dem das Tunnellicht hätte eingeschaltet werden können. Und ich muss annehmen, dass sich ein ebensolcher Schalter auch beim anderen Tunneleingang befunden hätte...Tja?!

Das Bier und ein deftiges Nachtessen in der «Alten Post» in Wassen habe ich mir heute verdient! Wanderzeit heute: 5:30 Std
18. Tag (Wassen-Andermatt)

Auf dieser spannenden, interessanten Etappe muss ich feststellen, dass der Weg auf meiner App mit „einfach“ (Wanderweg/gelb) angegeben ist. Unterwegs erst stellt sich aber heraus dass der Weg als Bergwanderweg (weiss-rot-weiss) markiert ist. Tatsächlich empfinde ich diese Etappe nicht unbedingt als schwieriger als die vorhergehende, doch dies könnte sich auch hier bei nassen Bedingungen schlagartig ändern.
Ich habe mir vorgenommen, Bergwanderwege nur in Begleitung zu absolvieren. Wegen einer Falschinformation habe ich diesen Grundsatz heute nicht eingehalten.

Geschichtlich interessant ist diese Etappe allemal. Suworow­ Denkmal inkl. Russischer Fahne im Herzen der Schweiz. Teufelsbrücke. Schöllenenschlucht. Wanderzeit heute: 3:45 Std.

Hier endet mein Alleingang. .Auf meinen Aufruf aus Sachseln haben sich etliche Freunde und Verwandte gemeldet und sich bereit erklärt, die eine oder andere Bergwanderweg-Etappe mit mir zu bestreiten. Ich entschliesse mich für Roland und Jörg. Beide haben Zeit und beide schätze ich als sehr gute und zuverlässige Freunde, .zudem sind beide sportlich sehr gut drauf. Ich freue mich auf die kommenden Etappen zu zweit.
Um mich der Verfügbarkeit meiner Begleitung anzupassen, muss ich die Reihenfolge der Etappen ab jetzt leicht abändern. Dennoch seien sie hier im Text chronologisch aufgeführt.
19. Tag (Andermatt-Gotthardpass)

Ab heute beginnen die Bergwander-Etappen und Jörg wird mich von Andermatt bis Biasca begleiten.

Am imposanten «The Chedi» und einem Golfplatz vorbei geht’s bei leichtem Nebel in Richtung Hospenthal, dann dem alten Saumweg folgend weiter in Richtung Gotthardpass, dies bereits wieder bei schönstem Wanderwetter. Einmal mehr bin ich überwältigt von den Leistungen unserer Vorfahren, welche diese Route über die Alpen begehbar gemacht haben. Offenbar haben bereits die Römer, neben dem Septimer- und Reschenpass, auch die Gotthardroute benutzt. Für den Waren- und Personenverkehr war allerdings die Begehbarkeit der Schöllenenschlucht nötig, was mit dem Bau der ersten Teufelsbrücke im Jahre 1230 Tatsache wurde. Kaum vorzustellen, unter welchen Strapazen all diese Wege, Brücken und Treppen gebaut werden mussten. Und wir Wanderer im 21. Jahrhundert brauchen diese Wege einfach nur noch zu durchlaufen!

Eine Rast lässt uns am Fusse des Brigghubels die nicht wenigen Autos bestaunen, welche von ihren Besitzern an diesem Prachtstag nicht durch den Gotthardtunnel, sondern über den Pass chauffiert werden. Dabei befinden sich wahre Schmuckstücke, darunter auch zahlreiche Cabriolets. Obwohl Jörg bereits ein wunderschönes altes Cabriolet sein eigen nennen darf, sinniert er darüber, welches Cabriolet er sich heute zulegen würde, müsste er sich heute hierzu entscheiden. Der neue Fiat 124 Spider, Cabriolet in weiss müsste es sein, träumt er laut vor ich hin, als in genau diesem Moment - man ahnt es - ein weisser Fiat 124 Spider, Cabriolet in weiss vor uns um den Felsvorsprung biegt. Wir beide fallen in schallendes Gelächter aus. Da soll einer noch behaupten, wir Menschen besässen keinen 7. Sinn, mit dem wir etwas vorausahnen können.

War mir auf meinen bisherigen Etappen wichtig diese alleine zu durchwandern und meinen Gedanken freien Lauf zu bieten, geniesse ich die interessanten Gespräche mit Jörg sehr. Es macht auch grossen Spass Schönes zu teilen.

Nach kurzweiligen 4:30 Std. erreichen wir den Gotthardpass und beziehen unsere Zimmer im neu renovierten, sehr raffinierten Hotel «Hospiz». Es ist eines der wenigen Male, wo wir die Unterkunft zum voraus reserviert haben. Wir wollten unbedingt im «Hospiz» übernachten und die wenigen Zimmer dort sind oft ausgebucht - sehr zu empfehlen!
20. Tag (Gotthardpass-Deggio)

Der Blick am Morgen aus dem Fenster lässt mich erstarren. Stock dicker Nebel! Ans Wandern ist nicht einmal zu denken, dies trotz bester Wetterprognose.

Das ausgiebige, herrliche Frühstücksbuffet im Hotel «Hospiz», lässt uns das eher mässige Nachtessen von Gestern im Restaurant des «Hotel San Gottardo» vergessen und gibt dem Nebel genügend Zeit, sich zu verziehen.

Wie auf Kommando herrscht beim Abmarsch um ca. halbacht Uhr perfektes Wanderwetter mit angenehmen Temperaturen. Eindrücklich die Tremola mit phantastischem Ausblick in die Leventina.

Airolo ist in etwas mehr als zwei Stunden erreicht und es ist klar, dass wir hier nicht bereits wieder ein Nachtlager aufsuchen, wie von der App vorgeschlagen, sondern einen Teil der nächsten Etappe in Angriff nehmen wollen. Bis Osco wird's wohl nicht reichen - mal schauen, was Sinn macht.

Hier beginnt die Strada Alta, welche etwas von ihrem früheren Glanz verloren zu haben scheint. Etliche Gastwirte bestätigen jedenfalls unsere Vermutung. Es sind tatsächlich wenige Wanderer auszumachen, nun, das sollte uns recht sein.

Waren die Bergwanderwege von Andermatt bis Airolo einfach zu begehen, welche gut auch alleine hätten bewältigt werden können, so bin ich ab Airolo sehr dankbar, in Jörg eine Begleitung dabei zu haben. Die Wege, welche hier mehr Pfade genannt werden müssen, sind oft eng und steil und verlaufen nicht selten entlang von steilen Hängen. Ein Sturz kann hier schwerwiegende Folgen haben.

Wir beide gehen die Sache vorsichtig an und kommen heute dennoch bis Deggio. Hier quartieren wir uns ein im Ristorante «La Campagnola». Das ausgezeichnete Nachtessen mit der sehr freundlichen Bedienung lässt uns die 6:05 Std. Wanderzeit rasch vergessen. Der Wirt besorgt uns sogar Proviant für die nächste Etappe! Dies nennen wir echte Gastfreundschaft
21. Tag (Deggio-Biasca)

Heute ist früh Abmarsch, wir wollen so weit als möglich wandern, denn schlechtes Wetter ist für die kommenden Tage angesagt.
Es ist dies auch heute, wo wir zum ersten Mal Strada Alta -Wanderer ausmachen können. Es sind aber deren wenige. Das Grüppchen Frauen lassen wir wegen deren nicht enden wollenden Mitteilungsbedürfnisses rasch hinter uns und auch das ältere Ehepaar haben wir rasch und für immer eingeholt und abgehängt. Wir sind wieder unter uns und müssen unser Tempo nicht an irgendeine Wandergruppe anpassen.

Als Tagesziel haben wir uns Anzonico vorgenommen, welches wir nach 5:30 Std. denn auch schon erreichen. Hier beginnt der Abschnitt mit dem steilen Abstieg runter nach Biasca den wir beide beschlossen haben, auszulassen. Wir wollen keinerlei Wagnis eingehen, wollen unsere Knie schonen und folgen der an anderer Stelle empfohlenen Variante und nehmen ab Anzonico den Bus bis Bodio.

Somit verlassen wir einmal mehr den TST und folgen ab Bodio der Strada Bassa, welche ebenfalls von Airolo nach Biasca führt, dies allerdings in der Talsohle. Eindrücklich ist hier insbesondere das imposante Südportal des Gotthard Basistunnels bei Bodio.

Für dieses Teilstück von Bodio nach Biasca brauchen wir nochmals 1:25 Std. und sind somit an diesem Tag fast 7 Std. marschiert.

Während mich Jörg hier in Biasca verlässt, um mich später für die letzten beiden Etappen des TST zu begleiten, beziehe ich für die nächsten paar Tage Unterkunft im Hotel «Croce Federale» in Bellinzona. Das Hotel ist für mich perfekt - nahe des Bahnhofs bzw. des Stadtzentrums gelegen. Die Zimmer sind gut ausgestattet, das Restaurant hervorragend und die Bedienung ausgesprochen freundlich. Zudem erhält jeder Hotelgast das Ticino Ticket, mit welchem sämtliche ÖV im ganzen Kanton gratis benutzt werden dürfen - ein für Touristen unschlagbares Angebot! Von hier aus will ich die nächsten Etappen angehen. Zudem erst noch mit einem viel leichteren Rucksack, kann ich so doch einige Utensilien im Hotelzimmer in Bellinzona lassen, zu dem ich jeden Abend zurückkehren werde.
22. Tag (Biasca-Bellinzona)

Ich benutze heute zum ersten Mal das Ticino Ticket und lasse mich von den SBB von Bellinzona nach Biasca, meinem gestrigen Etappenziel, bringen. Dort treffe ich mich mit Roland, der sich bereit erklärt hat, mich bei den nächsten beiden Etappen zu begleiten.

Und ich bin sehr froh um seine Company, handelt es sich doch um die vielleicht langweiligste Etappe des gesamten Trails. Sie verläuft alles geradeaus dem Ticino Fluss entlang, zudem ist es heute sehr heiss und feucht. Roland und ich haben einander seit einer gefühlten Ewigkeit nicht mehr gesehen und es gibt entsprechend viel zu erzählen. Die Wanderung dauert zwar genau 6 Std. und vergeht dennoch im Nu.

Das gemeinsame Bier und ein wunderbares Nachtessen im Croce Federale haben wir uns verdient!
23. Tag (Bellinzona-lsone)

Zu zweit geht’s heute nach lsone. Der Aufstieg dieser mit «einfach» auf der App bezeichneten Etappe ist steil und lang.
Und je weiter wir die Magadinoebene unter uns lassen, desto schwieriger werden die Verhältnisse. Und tatsächlich begleiten uns schon bald die ersten weiss-rot­ weissen Wegmarkierungen, schon wieder eine Fehlinformation auf der Wander­ App!

Ungefähr in der Mitte dieses Aufstieges verläuft der Pfad quer zu einem steilen Hang. Der Untergrund auf Blättern ist rutschig und der Weg an dieser Stelle sehr schmal. Links geht das Gelände steil rauf und rechts entsprechend steil runter. Eine Kehrtwende wäre hier mit dem Rucksack gar nicht mehr möglich, zu schmal ist der Weg. Der Rucksack käme an der Wand an und könnte einen leicht aus dem Gleichgewicht bringen.
Wie gewohnt die Wanderstöcke benutzen – undenkbar. Der Pfad ist auch hierzu zu schmal. Ich dachte stets, ich sei einigermassen schwindelfrei, doch hier komme ich an meine Grenzen und bin um meine Begleitung äusserst froh. Roland macht dieser Wegabschnitt von vielleicht 50 m Länge offenbar weniger aus als mir. Er ist es dann auch; der mir Mut zuruft und mir Tipps gibt, meine innere Krise zu überstehen. Schritt für Schritt für Schritt taste ich mich in dieser «Wand» vorwärts und bin unglaublich froh, als dieser Albtraum für mich endlich ein Ende findet.

Für mich war dieser kleine Albschnitt auf dem Weg von Bellinzona nach lsone die Schlüsselstelle des ganzen TST. Für mich bleibt unverständlich, wie man diesen Weg auf der App mit «einfach» deklarieren kann.

Oben angekommen bietet sich einem eine unvergleichliche Aussicht runter auf Bellinzona und die Magadinoebene und die ganze Müh mit diesem Aufstieg scheint vergessen.

Der Abstieg nach lsone auf der asphaltierten Strasse ist dagegen ein Klacks. Ich finde dabei genügend Zeit, mich an meine Zeit bei den Grenadieren der Schweizer Armee zurück zu erinnern...
Nach 4 Std. Wanderzeit erreichen wir lsone.

Mit dem Bus geht’s für mich zurück nach Bellinzona ins Nachtquartier, während Roli nach Hause fährt um seine B-777 nach Singapore zu fliegen. Seine Freitage sind vorbei und ich bin ihm für seine Unterstützung, insbesondere heute, zu grossem Dank verpflichtet.
24. Tag (lsone-Lugano)

Das Postauto bringt mich in der Früh zu meinem gestrigen Etappenziel lsone, von wo ich heute nach Lugano .laufen will. Diese Etappe sollte ich gut alleine bestreiten können ist sie doch wieder als «einfach» beschrieben im App. Doch schon bald muss ich auch hier feststellen, dass der ganze Weg als Bergwanderweg gekennzeichnet ist. Gott sei Dank aber erweist er sich meist als gut ausgebauter Wanderweg, kein Vergleich zum gestrigen Abschnitt von Bellinzona nach lsone.

Und hier, kurz vor Ende des TST, treffe ich auf die erste Person, welche mit demselben Ziel unterwegs ist, wie ich. Es ist eine Dame, alleine unterwegs von Pruntrut nach Mendrisio. Hut ab! Bis hierher habe ich allenfalls Spaziergänger, Tageswanderer und Ausflügler getroffen, aber nicht eine einzige Person auf dem TST. Umso mehr freut mich diese Begegnung. Unsere Wege trennen sich dennoch wieder, so rasch wie sie sich getroffen haben.

Die heutige Etappe zieht sich in die Länge. Die Aussicht dann aber von der Kapelle San Bernardo runter nach Lugano ist einmalig. Hier im Abstieg nach Comano sichte ich auch kurz die zweite Schlange auf meiner Wanderung durch die Schweiz. Diese ist schwarz, hat eine Länge von ca. einem Meter und verschwindet rasch im Gestein einer Trockenmauer, auf der sie sich gesonnt haben muss. Unzähligen Tieren durfte ich auf diesem Trail begegnen, einmal abgesehen von Kühen und den Berner Sennen- und Boxerhunden. Es waren dies Schottische Hochlandrinder, Wasserbüffel, Lamas, auffallend viele Falkenarten, Ziegen, Schafe, Rehe, Steinböcke, Blindschleichen, Echsen, eine kleine Kreuzotter, Mäuse, und viele andere Tiere mehr.

Nun erscheinen die ersten Häuser der Agglomeration Lugano. Ab hier gibt’s keine Wegmarkierungen mehr, welche einem den Weg zeigen und ich verlaufe mich viermal und bin drauf und dran, den Bus zum Bahnhof Lugano zu nehmen. Der Stolz in mir aber schreit nein und ich kämpfe mich regelrecht durch bis zum Ziel. 6:25 Std. habe ich diesmal gebraucht und ich bin ein wenig stolz auf meine Leistung.

Nun bleiben noch zwei Etappen von Lugano bis Mendrisio. Auch diese beiden Etappen will ich noch machen, obwohl in einem Teil der Literatur Lugano als Ziel des TST erwähnt ist.

Das Nachtessen im Croce Federale in Bellinzona, meinem Teilzeit-Headquarter im Tessin, ist einmal mehr verdient, ebenso das obligate Bier.
25. Tag (Lugano-Morcote)

Für die beiden letzten Etappen begleitet mich einmal mehr Jörg. Diese zweitletzte Etappe beginnt in Lugano-Paradiso mit der Fahrt per
Funiculare auf den San Salvatore. Die Aussicht von dort oben ist einmalig. Wir folgen einem meist sehr guten Wanderweg via der Ortschaft Carona in Richtung Morcote und freuen uns nebst der immer wieder eindrücklichen Aussicht auf den Lago di Lugano und die umliegenden Berge, v.a. auf eine gute Polenta im Ristorante «Alpe Vicagna».

Jörg kennt die Route bereits und ich kann die Navigation getrost ihm überlassen. Es macht Spass einfach mal hinterher zu laufen und sich um wenig bis nichts kümmern zu müssen. Jörg ist sehr trittsicher und führt mich, in für mich perfektem Tempo, Schritt für Schritt näher zu meinem Ziel.

Die «Alpe Vicagna» wird bereits seit längerem per Wegweiser und lnfotafeln angekündigt und die Vorfreude auf Polenta mit Steinpilzen wird grösser und grösser. Bewusst lassen wir unser Picknick aus, um dann ja genügend Appetit zu haben. Endlich kommt die Gastwirtschaft in Sicht, aber wir sehen nicht ein einziges Auto auf dem grossen Parkplatz neben an. Unsere Befürchtung bewahrheitet sich - die Beiz ist geschlossen! Nun gibt's halt ein Picknick auf der leeren Terrasse des Restaurants. Die mitgebrachte Salami schmeckt trotzdem hervorragend, die Aussicht dabei einmalig!

Der Abstieg nach Morcote ist wohl steil, aber dank hervorragend ausgebautem Weg rasch und einfach zu begehen.

3:00 Std. hat diese schöne Wanderung gedauert. Ich bin versucht, Jörg vorzuschlagen, die nächste und letzte Etappe auf meinem Weg durch die Schweiz, direkt an zu hängen, doch Morgen ist ja auch ein Tag und das gute Wetter soll ja bestehen bleiben.
26. und letzter Tag (Morcote-Mendrisio)

Diese letzte Etappe beginnen wir bei der Talstation der Bahn, welche uns ein Stück weit in Richtung Monte San Giorgio bringen soll. Doch leider fährt die Bahn heute, aus welchen Gründen auch immer, nicht. Somit ist ein längerer Anstieg zu bewältigen. Dieser Anstieg eignet sich dennoch hervorragend zum Aufwärmen, die reifen Kastanien am Boden zu sammeln und um sich zu verlaufen! Ja, bloss einmal an einer Weggabelung nicht aufgepasst und wir finden uns plötzlich auf dem ViaGottardo, der Nationalen Route 7, wieder. Ein Blick auf die App zeigt uns, dass sowohl Route 2 (TST), als auch dieser ViaGottardo nach Mendrisio führt und so folgen wir dieser alternativen Strecke bis Meride, wo sich beide Wege wieder treffen. Auch diese Wegführung, folgt man ihr genau, führt über zahlreiche «Flagellantenwege». Auf etlichen Abschnitten kann problemlos auf dem Weg, bzw. der Strasse geblieben werden, diese kurzen Abstecher in Wälder und Felder überlassen wir Anderen!

Ab Meride folgen wir aber wieder stur der Wegmarkierung des TST, ich will ja schliesslich den TST auf offizieller Route beenden.

In Meride legen wir auf dem TST unsere letzte Rast ein. Auf der Bank vor einer kleinen Kapelle mit schöner Aussicht vertilgen wir unser letztes Tessiner Salametti. Zur Feier des Tages gibt’s heute zum Dessert Amarettis, den Café dazu müssen wir uns denken. Ebenso auslassen tun wir den Gang ins Fossilienmuseum von Meride, welches von Mario Botta im Jahre 2012 erbaut worden ist. Aufgeschoben ist ja bekanntlich nicht aufgehoben und so begeben wir uns auf unseren allerletzten Weg hinunter nach Mendrisio, dem eigentlichen Ziel des TST. Von weitem erkennen wir den Bahnhof, den wir nun fixieren und nicht mehr aus den Augen lassen. Einfacher gedacht als gemacht, denn eine Baustelle um den Bahnhof verhindert ein direktes Anpeilen des Zieles und es bedarf einer letzten Anstrengung, den Bahnsteig in Mendrisio nach genau 4 Std. zu erreichen.
GESCHAFFT!

Ich möchte mich an dieser Stelle bei all denen bedanken, die mich bei diesem Unterfangen unterstützt, begleitet und beraten haben.
Danken möchte ich insbesondere meiner lieben Margrit und meiner ganzen Familie. Sie unterstützen mich bei jedem meiner Vorhaben mit Verständnis und viel Liebe.

Jörg und Roland: Euch danke ich von Herzen für Eure Begleitung auf den Bergwanderwegen. Ihr habt einen wesentlichen Beitrag zum Gelingen dieses Abenteuers beigetragen!

Danken möchte ich aber auch all jenen, die an der Erstellung des TransSwissTrails mitgearbeitet haben, sei es in der Realisierung,.Markierung, Erstellung der App usw. Ihr habt den Grossteil der Planung übernommen und ermöglicht uns Wanderer dieses schöne Erlebnis.
DANKE!

Ach ja: Fünf Kilos Lebendgewicht hab ich unterwegs auch noch verloren ; -)

Le carnet de route se trouve sur:

Trans Swiss Trail route-02
Trans Swiss Trail
Porrentruy–Mendrisio
Vers l’itinéraire